Liebe Leserin, lieber Leser,
Ihnen allen zunächst mal einen sommerlichen Gruß aus dem Pfarrbüro - und jetzt schon gute Wünsche für ein sonniges schönes Wochenende. Werden Sie zu Hause oder in der Nachbarschaft den Grill anwerfen und Fleisch drauf legen? Dann sind Sie in guter Gesellschaft - nicht nur mit Ihren Nachbarn und Freunden, sondern auch mit Papst Franziskus... Der Argentinier weiß offensichtlich Gutes vom Grill zu schätzen.
Aber beginnen wir vorne, genau vor einer Woche. Ich hatte gerade Donnerstagmittag meinen "elektronischen Hirtenbrief" mit einer Einschätzung der Situation nach dem Rücktrittsangebot von Kardinal Marx in den Adressverteiler gegeben, da kam kurze Zeit später die Nachricht, daß Papst Franziskus dem Kardinal einen langen Brief geschrieben hat und seinen Rücktritt ablehnt.
Wie der Kardinal selbst, und wie so viele andere bei Kirchens, habe auch ich mit so einer flotten Reaktion nicht gerechnet. Aber der Papst kannte die Absicht des Kardinals ja schon ein paar Tage länger und hatte insofern auch einen zeitlichen Vorsprung. Er wird es sich gut überlegt haben...
Der Brief an sich ist interessant. Ich hab' ein paar mal gestockt beim Lesen, denn der Wechsel von kurial geblümter Rethorik und handfesten Vergleichen ist doch bemerkenswert - und für einen "Brief vom Heiligen Vater" durchaus unüblich.
Eine von diesen Stellen ist die mit dem "Fleisch auf dem Grill". Da sagt er: "Vorsätze zur Änderung des Lebens zu machen, ohne «das Fleisch auf den Grill zu legen», führt zu nichts". Man kann eben nicht nur Feuer machen, in der Hoffnung, dass es allen Unrat verbrennt. Nur wer bereit ist, sich demselben Feuer auch auszusetzen, der kann - selbst geläutert - vorangehen. Wer also ankündigt, sein Leben ändern zu wollen, aber nicht bereit ist, das Fleisch auf den Grill zu legen, ist laut Franziskus nicht glaubwürdig. Nicht Worte zählen, sondern Taten.
Ich bin immer noch überzeugt, dass die Rücktrittsabsicht von Kardinal Marx echt war. Hier konnte man ja in der Presse die abenteuerlichsten Mutmaßungen und Unterstellungen lesen. Nein, ich bin sicher: Das Signal war echt - und es wird zu einem Wendepunkt in der Geschichte der Kirche in Deutschland werden.
"Jede Reform beginnt bei sich selbst", stellt der Papst dann klar, und ergänzt: "Die Reform in der Kirche haben Männer und Frauen bewirkt, die keine Angst hatten, sich der Krise auszusetzen und sich selbst vom Herrn reformieren zu lassen." Ausdrücklich spricht er auch von Frauen. Ohne Frauen keine Erneuerung. Man kann nur hoffen, dass die römischen Kurien dem Papst und seinen guten Absichten nicht schon wieder irgendwie in die Quere kommen... Aber wahrscheinlich hält er sich auch deshalb Leute wie Reinhard Marx an der Seite - und im Amt.
Also, die Agenda ist lang. Es gibt viel zu tun. Dass man den Misthaufen, der über Jahrzehnte angewachsen ist, nicht mit einem Federstrich beseitigen kann, leuchtet ein. Wir sollten jetzt nicht von heute auf morgen spektakuläre Lösungen erwarten - auch nicht von der Visitation in Köln. Auch hier "giert" die Öffentlichkeit ja förmlich nach Ergebnissen, die die öffentliche Meinungsbildung schon längst festgelegt hat. Ob es so kommt?
Ich wage die Prognose: Egal was kommt - es wird nicht recht sein, es wird nicht reichen, um die Öffentlichkeit "zufrieden" zu stellen. Die Erwartungshaltung der Gesellschaft ist viel zu unterschiedlich. Suchen die einen in der Kirche weiterhin die Gelegenheit geistlicher Beheimatung, geben andere erst Ruhe, wenn es die Kirche nicht mehr gibt und Religion ganz und gar aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet.
Versuchen die einen mit Leidenschaft und Eifer die stärkende und frohe Botschaft Gottes in unsere Zeit und ihre Gewohnheiten zu übersetzen, werden die anderen nicht müde, die Befreiung von jeglicher religiösen Prägung zu postulieren. Und irgendwo dazwischen liegt ein guter Mittelweg, der gefunden werden will, sodass alle, die es wollen, ihn mitgehen können, ohne sich vereinnahmt oder ausgeschlossen zu fühlen.
Geben wir der Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren Chancen, immer wieder. Eine einzige wird nicht reichen... Wir werden viel probieren müssen, manches behalten, anderes wieder lassen. Und wir müssen um der Einheit willen sicher immer schauen, ob noch alle mit auf dem Weg sind. Wir wollen doch niemanden verlieren und zurücklassen.
Das Ganze gilt es nicht nur "ganz oben" zu beobachten, sondern auf Gemeindeebene, auf Augenhöhe mitzumachen. Auch hier in den Pfarreien, die sich nun erstmal zu einer Pfarrei zusammenschließen, geht der Weg weiter und will gestaltet werden. Und auch hier nehmen wir zur Kenntnis, dass längst nicht jeder mitgehen will oder kann. Da liegt auch eine echte Aufgabe vor uns... Davon aber ein anderes Mal.
Also, wenn Sie jetzt bis hierhin gelesen haben, und wenn Sie zufällig am Wochenende auch den Grill anfeuern, dann lassen Sie sich doch den Vergleich des Papstes mit dem "Fleisch vom Grill" mal durch den Kopf gehen. Bin ich bereit, guten Vorsätzen auch selber zu folgen? Bin ich bereit, "Reform" auch bei mir beginnen zu lassen?
Ihr Steak wird schneller gar sein, als dass Sie diese Fragen fruchtbringend beantwortet haben. Das ist auch in Ordnung so. Aber die Grundfrage des Papstes nach der eigenen Bereitschaft zur Läuterung ist die Frage nach meiner inneren Haltung.
Sie zu stellen, tut manchmal gut. Uns selbst, und der Sache, für die ich brenne und mich engagiere,
meint
Ihr Pastor Stefan Dumont