Liebe Leserin, lieber Leser,
wie jeden Donnerstag erreicht Sie auch heute wieder der elektronische Hirtenbrief aus der Pfarrei mit einem herzlichen Gruß zum bevorstehenden Wochenende. Es ist das erste Wochenende in der Fastenzeit 2022.
Schon wieder bringt eine Fastenzeit enorme Herausforderungen mit sich. War's vor 2 Jahren die Pandemie, die kurz nach Beginn der Fastenzeit bei uns für einen totalen Lockdown sorgte, so ist es nun seit genau einer Woche der Krieg um die Ukraine, der unsere Aufmerksamkeit fordert, unser Mitgefühl mit den Menschen in diesem Land, das bis vor einer Woche noch irgendwie so "europäisch" war im Hinblick auf die Infrastruktur und das alltägliche Leben. Das alles ist in wenigen Tagen schon zerstört worden.
Wir sehen Raketeneinschläge in Wohnhäuser und wir sehen Menschen, die ängstlich in Kellern Schutz suchen. Bilder, die wir sonst mit Syrien oder anderen Kriegsgebieten verbinden, die gefühlt "weit weg" sind, entstehen plötzlich an der europäischen Haustüre nach Osten hin. Unvorstellbar, aber doch wahr. Wir können mithilfe der Medien live Miterleben was sich da tut und spüren dadurch aber noch mehr die Hilflosigkeit und Ohnmacht, die uns heimsucht, weil wir im Westen aus berechtigter Vorsicht vor einer militärischen Eskalation in ganz Europa dem Putin-System "nur" mit Hilfe der wirtschaftlichen Sanktionen die Luft zum Atmen nehmen wollen. Das geht nicht von heute auf morgen, und so müssen wir dem Krieg in der Ukraine wirklich ins Auge blicken, ohne eine Perspektive zu haben, wie lange er dauern wird - und wer ihn hinterher gewonnen haben wird: die Freiheit oder der Despot.
Was uns bewegt, ist zum einen spürbares Mit-Leid mit den Millionen leidender Menschen, die von jetzt auf gleich aus dem normalen Alltagsleben in den Krieg gefallen sind. Zum anderen eine echte - und leider auch begründete - Angst davor, dass der Konflikt aus dem Ruder läuft, dass er weit über die Grenzen der Ukraine eskaliert und uns im Westen direkt mit einbezieht.
In dieser Situation finden die Menschen bei uns zusammen. Sie suchen Formen für den Ausdruck dieser Ängste und auch des Mit-Leidens mit den Menschen in der Ukraine. Die sozialen Netzwerke sind derzeit wie ein Spiegel, der zeigt, wie unsere Gesellschaft sich in der so empfundenen Not verbündet und solidarisiert. Schweigemärsche und Friedenskundgebungen, wie wir es am Rosenmontag auch hier in Andernach erlebt haben, sind genauso ein Ausdruck dafür, wie die vielfältig angebotene Hilfe für die Menschen auf der Flucht.
Wir rechnen auch in Andernach in den kommenden Tagen und Wochen mit vielen geflüchteten Menschen, vor allem Frauen und Kinder. In den letzten Tagen haben wir uns entsprechend mit den Verantwortlichen der Stadt Andernach ausgetauscht und Hilfe seitens der Kirchengemeinde angeboten. Dabei sind insbesondere das Pfarrheim in der Agrippastrasse und das Kolpinghaus als mögliche Unterkünfte für geflüchtete Menschen in den Blick genommen worden. Das alte und stillgelegte Pfarrheim muss natürlich erstmal reaktiviert werden. Dafür sorgen die Mitarbeiter der "Perspektive". Mithilfe der Caritas im Gemeindezentrum St. Stephan, mit der Kleiderkammer, der "Tafel" und dem "Basar" wollen wir Hilfe leisten, sobald die Flüchtlinge da sind. Das kann jetzt noch ein paar Tage dauern...
Ich schreibe Ihnen dies heute, damit Sie wissen, dass schon einige Hilfsmaßnahmen angelaufen sind, um vorbereitet zu sein, wenn die Menschen bei uns in Andernach ankommen.
Wenn es dann soweit ist, und wenn wir abschätzen können, was wirklich konkret an Material hier vor Ort gebraucht wird, melden wir uns mit entsprechenden Spendenaufrufen auf den unterschiedlichen Kanälen der Öffentlichkeitsarbeit. Zielführend ist eine gute Vernetzung der Hilfsangebote mit den verantwortlichen Stellen von Kommune und Kirche, damit alle Initiativen auch wirklich da helfen können, wo Hilfe gebraucht wird.
Also, wir halten Sie auf dem Laufenden...
Gestern, am Aschermittwoch, haben wir uns in den Gottesdiensten wieder in die lange Kette der Friedensgebete weltweit eingeklinkt. Im Mariendom hatten wir uns Gedanken darüber gemacht, dass "Umkehr zum Frieden" einerseits das große Ziel aller Friedensbemühungen unserer Tage ist, andererseits aber auch der Anspruch Jesu an uns Christen in dieser Fastenzeit sein kann. Nur wer innerlich Frieden sucht - mit sich selbst, mit den Menschen, mit Gott - der wird auch ein zufriedener Mensch.
Das ist - so glaube ich - ein Merkmal unseres christlichen Selbstverständnisses, dass wir sagen: Nur zufriedene Menschen bringen Frieden in die Welt - ganz egal an welchen Ort Gott sie in der Welt gestellt hat.
Nun, da wollen wir doch gerne versuchen, zufriedene Menschen zu werden und - jede(r) auf die eigene Art und Weise - umzukehren zum Frieden. Die kommenden 6 Wochen der Fastenzeit bieten einen Rahmen dafür.
Einen schönen Gedankenanstoß bietet dazu der "Segen zum Frieden" des leider schon verstorbenen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. Wir haben ihn gestern Abend beim Aschermittwochsgottesdienst direkt zu Wort kommen lassen. Wenn Sie sich die paar Minuten nehmen wollen, mal reinzuhören, klicken Sie auf die folgende Verlinkung zur Gottesdienstübertragung von gestern Abend. Das Video sollte genau an der entsprechenden Stelle starten (bei 23:15).
Liebe Leserin, lieber Leser,
das waren jetzt wieder viele Worte zum Wochenende, aber unsere Zeit braucht viele Erklärungen. Worte versuchen, die Zeit und ihr Geschehen zu deuten, um daraus Konsequenzen für unser Handeln zu ziehen. Und: wir wollen uns in diesen Tagen nicht nur am innerkirchlichen Sumpf und seiner Trockenlegung abarbeiten, sondern mit der christlichen Perspektive der Hoffnung da Hilfe leisten, wo wir es mit unseren Kräften tun können.
Lieber Gott, schenk' allen, die sich bei der Hilfe
für die Menschen in und aus der Ukraine stark machen,
gute Ideen und viel Kraft.
Und den Vielen auf der Flucht schenke Ausdauer, Hoffnung und Beistand - und dann eine offene Aufnahme in den Quartieren und Wohnungen
in unseren Städten und Dörfern.
Ein schönes Wochenende -
und eine wirklich gottgesegnete Zeit der Vorbereitung auf das kommende Osterfest wünscht Ihnen
Ihr Pastor
Stefan Dumont