Liebe Leserin, lieber Leser,
nun also beginnt ein Advent, den wir uns so nie hätten vorstellen können.
Ein Advent, wie wir "Kirchenprofis" ihn immer wieder angemahnt und empfohlen haben. Ein Advent, frei von jeder Vorwegnahme des Weihnachtsfestes in dutzenden von Weihnachtsfeiern und anderen Veranstaltungen. "Stille Nacht" singen wir zum ersten Mal wirklich in der Heiligen Nacht, denn vorher gibt es keine Gelegenheit dazu. Kein Konzert und kein Seniorennachmittag mit Weihnachtsliedern.
Für alle, die sich hier immer wieder viel Mühe gegeben und Zeit genommen haben, ist das wirklich schade, und für alle, die sich in dieser Zeit an den Darbietungen so vieler ehrenamtlicher Künstlerinnen und Künstler erfreut haben, ist es wirklich ein Verlust.
Was macht dieses Corona-Jahr mit uns, mit unserer Gesellschaft, mit unseren Gewohnheiten, Traditionen und unserem Brauchtum?
Ja, es verändert alles und die Bewertungen darüber fallen ganz unterschiedlich aus. Es gibt die, die sagen, dass alles nur schlimm und übertrieben ist. Es gibt aber auch die, die noch mehr an Einschränkungen fordern, damit die Sache im Frühjahr endlich mal durchgestanden ist. Was wirklich richtig ist, oder gewesen wäre, läßt sich sicher erst im Nachhinein genau sagen. Deshalb müssen wir jetzt einfach alle erstmal "auf Sicht fahren" und jeder sein Bestes geben - in der festen Absicht, den je eigenen Beitrag zu leisten, damit dieses Virus nicht weiter um sich greift.
Aber: Liegt nicht in dieser Veränderung auch ein Reiz? Der Advent 2020 wird ursprünglicher, mit Sicherheit auch besinnlicher. Jeder von uns hat mehr Zeit, weil Termine einfach wegfallen. Wo hätten wir sonst im Advent nicht alle "hingemußt"? Oft richtet sich unser Kalender in der besinnlichen Zeit (die wir uns höflicherweise auch immer wünschen, obwohl wir genau wissen, das sie's nicht ist) nach dem Prinzip: "Kommst du zu mir, komm ich zu dir". Und so absolvieren wir Termine und Veranstaltungen, die uns eigentlich im Herzen erfreuen wollen, immer auch mit dem Anspruch "sehen und gesehen werden".
All das ist in diesem Jahr anders. Der Advent wird eine wirklich stille Zeit, die wir selber nach unserem Gusto prägen können. Eine besinnliche Zeit, die sich darin auszeichnet, dass sie uns echt Gelegenheit zur Besinnung gibt, worauf es ankommt im Leben, welche Dinge, Beziehungen und Tätigkeiten uns wirklich wichtig sind.
Und vielleicht besinnen wir uns auch darauf, das uns dieses ständige Wachstum von Wirtschaft, Geld und Konsum gerade abgeschnitten wird - wie ein Stück Stoff. Da geht gerade eine Phase der Geschichte zu Ende. Gesellschaftlich. Wirtschaftlich. Und auch kirchlich...
Dass es in unserer Zeit hier mal so "dicke" kommen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Tag für Tag entpuppen sich Entwicklungen neu als "fragwürdig". Man versucht zu verstehen, zu erklären, vielleicht auch manchmal noch zu verteidigen... Ich denke dann oft an ein Gebet, das ich mal gelesen habe. Es beginnt mit den Worten: "Herr, es ist Deine Kirche..."
Nicht, dass ER jetzt auch noch die Verantwortung für unser irdisches Unvermögen tragen soll, aber es wird deutlich, dass Gott die Dinge in der Hand hat und fügt.
Jedenfalls glaube ich das und ich merke, dass es entlastend ist, dies glauben zu dürfen. Die Frage nach dem Sinn all dessen, was gerade geschieht und nicht geschieht, muss und kann ich nämlich nicht erschöpfend beantworten. Ich sehe ein: auch wenn wir Menschen die Welt gestalten, mit allem, was dazu gehört: Der Macher ist Gott. Und von ihm glaube ich, dass er in allem, was geschieht, den Sinn kennt. Und, dass ER alles gut zusammenführt, wenn es an der Zeit ist...
"Herr es ist Deine Welt,
die Du geschaffen hast, damit sie sich entwickelt und besteht.
Uns Menschen hast Du in diese Welt reingegeben,
zusammen mit all den anderen Geschöpfen.
Und dich selber
hast Du auch in diese Welt gesetzt.
Als Mensch unter Menschen.
Zeig Dich! Lass Dich sehen!
Gib Dich doch zu erkennen.
Vielleicht in diesem Advent,
wenn wir, viel freier als sonst, warten: dass DU kommst.
Mit diesem Gedanken zünde ich voll Zuversicht die erste Kerze an am Samstagabend, wenn der Kranz geschmückt ist, nach frischem Grün duftet und in der Wohnung nun zum Zeitmesser wird dafür, dass die Wochen vergehen, bis das wir Weihnachten feiern.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Anfang dieser vier besonderen Wochen eines Adventes, der so anders ist, als wir das bisher gewohnt waren.
Er mag uns mit Hoffnung und gutem Mut beschenken,
hofft Ihr Pastor
Stefan Dumont