Language of document : ECLI:EU:C:2023:9

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

12. Januar 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78/EG – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c – Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit – Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen – Verbot von Diskriminierungen wegen der sexuellen Ausrichtung – Auf der Grundlage eines Dienstvertrags arbeitender unabhängiger Auftragnehmer- Beendigung und Nichtverlängerung eines Vertrags – Freie Wahl eines Vertragspartners“

In der Rechtssache C‑356/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 16. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 2021, in dem Verfahren

J. K.

gegen

TP S.A.,

Beteiligte:

PTPA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von J. K., vertreten durch P. Knut, Adwokat, M. R. Oyarzabal Arigita, Abogada, und B. Van Vooren, Advocaat,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, E. Borawska-Kędzierska und A. Siwek-Ślusarek als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, L. Van den Broeck und M. Van Regemorter als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und P. Huurnink als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch C. Alves, P. Barros da Costa und A. Pimenta als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. September 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c sowie Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen J. K. (im Folgenden: Kläger) und der TP S.A. wegen einer Forderung auf Ersatz des Schadens, der entstanden sein soll, weil diese Gesellschaft es abgelehnt hat, den zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag zu verlängern, und zwar nach Ansicht des Klägers aus einem auf seiner sexuellen Ausrichtung beruhenden Grund.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 9, 11 und 12 der Richtlinie 2000/78 lauten:

„(9)      Beschäftigung und Beruf sind Bereiche, die für die Gewährleistung gleicher Chancen für alle und für eine volle Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie für die individuelle Entfaltung von entscheidender Bedeutung sind.

(11)      Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.

(12)      Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. Dieses Diskriminierungsverbot sollte auch für Staatsangehörige dritter Länder gelten, betrifft jedoch nicht die Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und lässt die Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen dritter Länder und ihren Zugang zu Beschäftigung und Beruf unberührt.“

4        Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

5        Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) Abs. 5 Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„Diese Richtlinie berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.“

6        Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie sieht vor:

„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

a)      die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;

c)      die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“.

7        Art. 17 („Sanktionen“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Bestimmungen der Kommission spätestens am 2. Dezember 2003 mit und melden alle sie betreffenden späteren Änderungen unverzüglich.“

 Polnisches Recht

8        Art. 4 der Ustawa o wdrożeniu niektórych przepisów Unii Europejskiej w zakresie równego traktowania (Gesetz zur Umsetzung bestimmter Vorschriften des Unionsrechts auf dem Gebiet der Gleichbehandlung) vom 3. Dezember 2010 (Dz. U. Nr. 254, Pos. 1700) in der konsolidierten Fassung (Dz. U. 2016, Pos. 1219) (im Folgenden: Gleichbehandlungsgesetz) bestimmt:

„Dieses Gesetz findet Anwendung auf

2.      die Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit, insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder der Erbringung von Dienstleistungen auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrags;

…“

9        Art. 5 des Gleichbehandlungsgesetzes sieht vor:

„Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf

3.      die freie Wahl des Vertragspartners, sofern sie sich nicht auf das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Herkunft oder die Nationalität stützt;

…“

10      In Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 des Gleichbehandlungsgesetzes heißt es:

„Jede Diskriminierung von natürlichen Personen aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Nationalität, der Religion, der Konfession, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung ist verboten, sofern

2.      sie sich auf die Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit bezieht, insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder der Erbringung von Dienstleistungen auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrags“.

11      Art. 13 des Gleichbehandlungsgesetzes lautet:

„(1)      Jede Person, der gegenüber der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt worden ist, hat Anspruch auf Schadensersatz.

(2)      In Fällen von Verstößen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung kommen die Bestimmungen der [Ustawa – Kodeks cywilny (Gesetz über das Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964] zur Anwendung.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12      Zwischen 2010 und 2017 schloss der Kläger im Rahmen seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit mit TP, einer Gesellschaft, die einen landesweit empfangbaren öffentlichen Fernsehsender in Polen betreibt und deren alleiniger Anteilseigner der Staat ist, eine Reihe aufeinanderfolgender Dienstverträge mit kurzer Laufzeit ab.

13      Auf der Grundlage dieser Verträge leistete der Kläger in der Redaktion für Regie und Werbung des Ersten Programms von TP wöchentliche Dienstzeiten ab, in denen er audiovisuelle Montagen, Trailer bzw. Feuilletons für die Sendungen zur Eigenwerbung von TP erstellte. W. S., der Leiter der Redaktion für Regie und Werbung des Ersten Programms und der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, teilte zwischen ihm und einer weiteren Journalistin, die die gleichen Arbeiten verrichtete, die Dienstzeiten so auf, dass beide pro Monat jeweils zwei wöchentliche Dienstzeiten ableisteten.

14      Ab August 2017 gab es Pläne für eine Neuorganisation der internen Strukturen von TP, in deren Rahmen die Aufgaben des Klägers auf eine neue Abteilung – die Agentur für Kreation, Regie und Werbung – übertragen werden sollten.

15      Während eines Arbeitstreffens, das Ende Oktober 2017 stattfand, wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er zu den Mitarbeitern gehöre, die im Hinblick auf diese Neuorganisation das Evaluierungsverfahren bestanden hätten.

16      Am 20. November 2017 wurde zwischen dem Kläger und TP ein neuer Dienstvertrag mit einer Laufzeit von einem Monat geschlossen.

17      Am 29. November 2017 erhielt der Kläger seinen Einsatzplan für Dezember 2017, der zwei wöchentliche Dienstzeiten vorsah, die am 7. bzw. 21. Dezember 2017 begannen.

18      Am 4. Dezember 2017 veröffentlichten der Kläger und sein Lebensgefährte auf ihrem YouTube-Kanal ein Weihnachtsmusikvideo, das für Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren wirbt. Mit diesem Video mit der Überschrift „Pokochaj nas w święta“ („Liebt uns zu Weihnachten“) wurde eine Weihnachtsfeier bei gleichgeschlechtlichen Paaren in Szene gesetzt.

19      Am 6. Dezember 2017 erhielt der Kläger von W. S. eine E‑Mail, in der ihm mitgeteilt wurde, dass seine wöchentliche Dienstzeit, die am 7. Dezember 2017 beginnen sollte, gestrichen worden sei.

20      Am 20. Dezember 2017 teilte W. S. dem Kläger mit, dass seine wöchentliche Dienstzeit, die am 21. Dezember 2017 beginnen sollte, gestrichen worden sei.

21      Somit hat der Kläger im Dezember 2017 keine Dienstzeit abgeleistet, und in der Folge wurde zwischen ihm und TP kein neuer Dienstvertrag geschlossen.

22      Der Kläger hat beim vorlegenden Gericht, dem Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, Polen), Klage erhoben und beantragt, TP zu verurteilen, 47 924,92 polnische Zloty (PLN) (etwa 10 130 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen als Schadensersatz und Schmerzensgeld an ihn zu zahlen, der sich aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aufgrund einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung ergebe und die Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrags betreffe.

23      Zur Stützung der Klage macht der Kläger geltend, er sei Opfer einer solchen Diskriminierung geworden, da der wahrscheinliche Grund für die Streichung der in Rn. 17 des vorliegenden Urteils genannten Dienstzeiten und die Beendigung seiner Zusammenarbeit mit TP die Veröffentlichung des in Rn. 18 des Urteils genannten Videos gewesen sei.

24      TP beantragt die Abweisung der Klage und macht insbesondere geltend, dass sich aus dem Gesetz keine Garantie für eine Verlängerung des von TP mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrags ergebe.

25      Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit von Art. 5 Nr. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes mit dem Unionsrecht, da diese Bestimmung die freie Wahl des Vertragspartners vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes und damit von dem durch die Richtlinie 2000/78 gewährten Schutz vor Diskriminierung ausschließe, sofern sich diese Wahl nicht auf das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Herkunft oder die Nationalität stütze.

26      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt in den Geltungsbereich von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 fällt, der in Bezug auf die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen den Schutz vor Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung gewährleiste.

27      Erstens möchte das vorlegende Gericht u. a. wissen, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers als „selbständige Erwerbstätigkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 eingestuft werden kann.

28      Zweitens möchte es wissen, ob die genannte Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie auch in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schutz vor auf das Kriterium der sexuellen Ausrichtung gestützten Diskriminierungen gewährleisten soll, da in der Entscheidung, den Abschluss eines Vertrags mit einem Selbständigen allein wegen seiner sexuellen Ausrichtung abzulehnen, eine Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit zum Ausdruck komme.

29      Unter diesen Umständen hat das Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass er es gestattet, die freie Wahl der Vertragspartner vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78 und damit auch von der Anwendung der auf der Grundlage von Art. 17 dieser Richtlinie ins nationale Recht eingeführten Sanktionen auszunehmen, sofern sich diese Wahl nicht auf das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Herkunft oder die Nationalität stützt, sondern die Diskriminierung darauf beruht, dass der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags abgelehnt wird, auf dessen Grundlage eine natürliche Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit auf eigene Rechnung betreibt, Dienstleistungen erbringen soll, und der Ablehnung die sexuelle Ausrichtung des potenziellen Vertragspartners zugrunde liegt?

 Zur Vorlagefrage

30      Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht durch die in der Vorlagefrage enthaltene Bezugnahme auf Art. 17 der Richtlinie 2000/78 lediglich hervorheben möchte, dass im Fall der Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie auf den Ausgangsrechtsstreit Art. 17 und folglich die Sanktionen, die das nationale Recht in Durchführung von Art. 17 vorsieht, ebenfalls Anwendung finden. Insoweit gibt diese Frage nicht dazu Anlass, Art. 17 gesondert auszulegen.

31      Denn mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer einzelstaatlichen Regelung entgegensteht, die zur Folge hat, dass die auf die sexuelle Ausrichtung einer Person gestützte Weigerung, mit dieser Person einen Vertrag abzuschließen oder zu verlängern, der zum Gegenstand hat, dass sie im Rahmen der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit bestimmte Leistungen erbringt, auf der Grundlage der freien Wahl des Vertragspartners von dem nach dieser Richtlinie zu gewährenden Schutz vor Diskriminierungen ausgeschlossen wird.

32      Folglich stellt sich die Frage, ob eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.

 Zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78

33      Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 lautet: „Im Rahmen der auf die [Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs“.

34      Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2000/78 für die Definition der Wendung „Bedingungen … für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist. Aus dem Gebot einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts wie auch dem Gleichheitssatz folgt jedoch, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Bestimmung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Da die Richtlinie 2000/78 die Wendung „Bedingungen … für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ nicht definiert, ist diese Wendung entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auszulegen, wobei der Zusammenhang, in dem sie verwendet wird, und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Als Erstes ist festzustellen, dass sich dem Umstand, dass die Begriffe „unselbständige Erwerbstätigkeit“ und „selbständige Erwerbstätigkeit“ nebeneinander verwendet werden, entnehmen lässt, dass die Bedingungen für den Zugang zu jeglicher beruflichen Tätigkeit unabhängig von deren Art und Merkmalen unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 und damit in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Diese Begriffe sind nämlich weit zu verstehen, wie aus einem Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung und aus der Verwendung allgemeiner Ausdrücke in diesen wie zum einen „activité non salariée“ „actividad por cuenta propia“, „selvstændig erhvervsvirksomhed“, „selbständige Erwerbstätigkeit“, „self-employment“, „arbeid … als zelfstandige“ und „pracy na własny rachunek“ und zum anderen „travail“ „ejercicio profesional“, „erhvervsmæssig beskæftigelse“, „unselbständige Erwerbstätigkeit“, „occupation“, „beroep“ und „zatrudnienia“ in französischer, spanischer, dänischer, deutscher, englischer, niederländischer bzw. polnischer Sprache hervorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 27).

37      Abgesehen davon, dass die genannte Bestimmung ausdrücklich selbständige Erwerbstätigkeiten erfasst, ergibt sich ferner aus dem Begriff der unselbständigen Erwerbstätigkeit, in seinem herkömmlichen Sinn verstanden, auch, dass der Unionsgesetzgeber den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 nicht auf Stellen beschränken wollte, die von einem „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 45 AEUV besetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 bestätigt, dass deren Geltungsbereich nicht auf die Bedingungen für den Zugang zu Stellen beschränkt ist, die von „Arbeitnehmern“ im Sinne von Art. 45 AEUV besetzt werden, denn nach diesem Wortlaut gilt die Richtlinie „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, … unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 29).

39      Die am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 wird durch deren Ziele bestätigt, aus denen folgt, dass die Wendung „Bedingungen … für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“, die den Geltungsbereich der Richtlinie festlegt, nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2000/78 auf der Grundlage von Art. 13 EG, nach Änderung jetzt Art. 19 Abs. 1 AEUV, erlassen wurde, der der Union eine Zuständigkeit zum Erlass der Maßnahmen verleiht, die zur Bekämpfung von Diskriminierungen, u. a. aus Gründen der sexuellen Ausrichtung, notwendig sind (Urteil vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI, C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 35).

41      Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 und ausweislich sowohl ihres Titels und ihrer Erwägungsgründe als auch ihres Inhalts und ihrer Zielsetzung soll diese Richtlinie einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten schaffen, indem sie jeder Person einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen u. a. aus diesem Grund bietet (Urteil vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI, C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Insbesondere der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 unterstreicht, dass Beschäftigung und Beruf Bereiche sind, die für die Gewährleistung gleicher Chancen für alle und für eine volle Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie für die individuelle Entfaltung von entscheidender Bedeutung sind. In diesem Sinne heißt es auch im elften Erwägungsgrund der Richtlinie, dass Diskriminierungen u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung die Verwirklichung der im AEU-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren können, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit (Urteil vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI, C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 37).

43      Daher ist die Richtlinie 2000/78 kein Rechtsakt des abgeleiteten Unionsrechts wie die insbesondere auf Art. 153 Abs. 2 AEUV gestützten, die auf den Schutz der Arbeitnehmer als der schwächeren Partei eines Arbeitsverhältnisses abzielen, sondern ihr Zweck ist – aus im sozialen und öffentlichen Interesse liegenden Gründen – die Beseitigung aller auf Diskriminierungsgründe gestützten Hindernisse für den Zugang zu Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit, durch Arbeit, egal auf welcher Rechtsgrundlage, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten (Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Auch wenn die Richtlinie 2000/78 somit einen weiten Bereich beruflicher Tätigkeiten – einschließlich derjenigen, die selbständige Erwerbstätige zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausüben – erfassen soll, so ändert dies nichts daran, dass die Tätigkeiten, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, von denen zu unterscheiden sind, die in der bloßen Lieferung von Gütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen an einen oder mehrere Empfänger bestehen, die nicht in diesen Geltungsbereich fallen.

45      Damit berufliche Tätigkeiten in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen, muss es sich bei ihnen daher um tatsächliche Tätigkeiten handeln, die im Rahmen einer durch eine gewisse Stabilität gekennzeichneten Rechtsbeziehung ausgeübt werden.

46      Im vorliegenden Fall ist es zwar Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit diese Kriterien erfüllt, doch ist festzustellen, dass aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte erstens hervorgeht, dass der Kläger auf der Grundlage aufeinanderfolgender Dienstverträge mit kurzer Laufzeit, die im Rahmen seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit abgeschlossen wurden, persönlich audiovisuelle Montagen, Trailer bzw. Feuilletons für die Redaktion für Regie und Werbung des Ersten Programms von TP erstellte. Zweitens geht aus der Akte auch hervor, dass der Kläger bei der Ausübung dieser Tätigkeit von der Aufteilung der wöchentlichen Dienstzeiten durch W. S. abhängig war und noch vor Kurzem im Rahmen einer Neuorganisation der internen Strukturen von TP das Evaluierungsverfahren bestanden hatte.

47      Da die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit – wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht – eine tatsächliche und echte berufliche Tätigkeit darstellt, die regelmäßig zugunsten desselben Empfängers persönlich ausgeübt wurde und es ihm ermöglichte, Zugang zu Mitteln zur Sicherung des gesamten Lebensunterhalts oder eines Teils davon zu erhalten, hängt die Frage, ob die Bedingungen für den Zugang zu einer solchen Tätigkeit unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 fallen, nicht von der Einstufung dieser Tätigkeit als „unselbständig“ oder „selbständig“ ab, da der Geltungsbereich dieser Bestimmung und folglich dieser Richtlinie weit zu verstehen ist, wie in Rn. 36 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist.

48      Was als Zweites die Frage anbelangt, ob der Abschluss eines Dienstvertrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter den Begriff „Bedingungen für den Zugang“ zu selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 fällt, hat die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Kläger bereits vor Abschluss des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstvertrags sein Recht auf Zugang zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit vollumfänglich ausgeübt habe und er es weiterhin ungehindert ausüben könne, einschließlich zugunsten anderer Empfänger als TP, da TP dieses Recht nicht einschränken könne, das gerade den Entschluss betreffe, eine solche Erwerbstätigkeit auszuüben.

49      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Formulierung „Bedingungen … für den Zugang“ zu selbständiger Erwerbstätigkeit im gewöhnlichen Sprachgebrauch Umstände oder Tatsachen erfasst, deren Existenz zwingend nachgewiesen werden muss, damit eine Person eine bestimmte selbständige Erwerbstätigkeit ausüben kann (vgl. entsprechend Urteil vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI, C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 33).

50      Es ist jedoch hervorzuheben, dass der Abschluss eines Dienstvertrags einen Umstand darstellt, dessen Existenz für die wirksame Ausübung der Berufstätigkeit einer Person wie des Klägers zwingend sein kann. Daher kann der Begriff „Bedingungen … für den Zugang“ zu selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 den Abschluss eines Vertrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden umfassen.

51      Nach alledem fällt die Weigerung, mit einem Vertragspartner, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, aus Gründen der sexuellen Ausrichtung dieses Vertragspartners einen Dienstvertrag zu schließen, in den Geltungsbereich der genannten Bestimmung und damit in den der genannten Richtlinie.

 Zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78

52      Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richtlinie 2000/78 „in Bezug auf … die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“.

53      Als Erstes ist zwar festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 im Gegensatz zu ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a nicht ausdrücklich auf die „selbständige Erwerbstätigkeit“ Bezug nimmt, sondern sich nur auf die Bedingungen für die „Beschäftigung“ und die „Arbeit“ bezieht.

54      Wie sich aus der in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, bezweckt die Richtlinie 2000/78 aber nicht den Schutz der Arbeitnehmer als der schwächeren Partei eines Arbeitsverhältnisses, sondern ihr Zweck ist – aus im sozialen und öffentlichen Interesse liegenden Gründen – die Beseitigung aller auf Diskriminierungsgründe gestützter Hindernisse für den Zugang zu Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit, durch Arbeit, egal auf welcher Rechtsgrundlage, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

55      Folglich kann der von der Richtlinie 2000/78 gewährte Schutz nicht von der formalen Qualifizierung eines Arbeitsverhältnisses nach innerstaatlichem Recht oder von der Entscheidung der betreffenden Person für den einen oder den anderen Vertragstyp bei der Anstellung abhängen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. November 2010, Danosa, C-232/09, EU:C:2010:674, Rn. 69), da – wie in Rn. 36 des vorliegenden Urteils festgestellt – der Wortlaut dieser Richtlinie weit zu verstehen ist.

56      Da die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf „die Bedingungen … für den Zugang zu … selbstständiger Tätigkeit“ gilt, könnte das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel nicht erreicht werden, wenn der durch sie gewährte Schutz vor jeder Form von Diskriminierung wegen eines der in ihrem Art. 1 genannten Gründen wie u. a. der sexuellen Ausrichtung es nicht ermöglichte, nach Zugang zu dieser selbständigen Erwerbstätigkeit und somit u. a. hinsichtlich der Bedingungen für die Ausübung und die Beendigung dieser Erwerbstätigkeit die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu gewährleisten. Daher erstreckt sich dieser Schutz auf das gesamte betreffende Arbeitsverhältnis.

57      Diese Auslegung entspricht dem Ziel der Richtlinie 2000/78, das darin besteht, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen, so dass die Begriffe, die in Art. 3 der Richtlinie deren Geltungsbereich präzisieren, nicht eng ausgelegt werden dürfen (vgl. entsprechend Urteil vom 2. Juni 2022, HK/Dänemark und HK/Privat, C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 51).

58      Somit ergibt sich aus einer teleologischen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78, dass der dort verwendete Begriff der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen bei einem weiten Verständnis die Bedingungen erfasst, die für jede Form einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit gelten, egal auf welcher Rechtsgrundlage sie ausgeübt wird.

59      Als Zweites stellt sich die Frage, ob die Entscheidung von TP, den von ihr mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag nicht zu erfüllen und ihn nicht zu verlängern, wodurch ihr Arbeitsverhältnis beendet worden ist, und zwar angeblich aus Gründen der sexuellen Ausrichtung des Betroffenen, unter den Begriff der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 fällt.

60      In diesem Zusammenhang macht die polnische Regierung geltend, dass ein Selbständiger im Verhältnis zu seinem Vertragspartner nicht durch ein Arbeitsverhältnis gebunden sei, in dessen Rahmen eine Partei die andere „entlassen“ könne.

61      Es trifft zwar zu, dass sich der Begriff der Entlassung in der Regel auf die Beendigung eines zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrags bezieht.

62      Gleichwohl ist festzustellen, dass der Begriff der Entlassung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 – wie die Generalanwältin in Nr. 102 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat – nur als Beispiel für den Begriff der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen steht und u. a. die einseitige Beendigung jeder der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a genannten Erwerbstätigkeiten erfasst.

63      Hervorzuheben ist nämlich insbesondere, dass auch eine Person, die einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ebenso wie ein Arbeitnehmer, der insbesondere infolge einer Entlassung unfreiwillig seinen Arbeitsplatz verlieren kann, sich durch Veranlassung ihres Vertragspartners gezwungen sehen kann, diese Tätigkeit aufzugeben, und sich deshalb in einer schwierigen Situation befinden kann, die mit der eines entlassenen Arbeitnehmers vergleichbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Gusa, C‑442/16, EU:C:2017:1004, Rn. 43).

64      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass TP die am 7. bzw. 21. Dezember 2017 beginnenden wöchentlichen Dienstzeiten des Klägers einseitig gestrichen hat und zwischen TP und dem Kläger nach seiner Online-Veröffentlichung des in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten Videos kein neuer Dienstvertrag geschlossen worden ist.

65      Daher scheint der Umstand, dass der Kläger im Dezember 2017 keine der in dem mit TP geschlossenen Dienstvertrag vorgesehenen wöchentlichen Dienstzeiten abgeleistet hat, im Hinblick auf die in Rn. 63 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs eine unfreiwillige Beendigung der Erwerbstätigkeit eines Selbständigen darzustellen, die einer Entlassung eines Arbeitnehmers gleichgestellt werden kann, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu verifizieren ist.

66      Unter diesen Umständen fällt vorbehaltlich der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils genannten Beurteilung die Entscheidung von TP, den genannten Dienstvertrag mit dem Kläger wegen – wie er meint – seiner sexuellen Ausrichtung nicht zu verlängern, was zur Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses geführt hat, in den Geltungsbereich von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78.

 Zu Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78

67      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller relevanten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits, insbesondere des Gleichbehandlungsgesetzes, für dessen Auslegung es allein zuständig ist, festzustellen, ob der Ausschluss der freien Wahl des Vertragspartners vom Geltungsbereich dieses Gesetzes – sofern sich diese Wahl nicht auf das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Herkunft oder die Nationalität stützt, wie in Art. 5 Nr. 3 dieses Gesetzes vorgesehen ist – eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung des Klägers darstellt.

68      Sollte das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis gelangen, dass eine solche Diskriminierung vorliegt, ist noch darauf hinzuweisen, dass diese Diskriminierung – wie der Kläger und die belgische Regierung vortragen – nicht mit einem der in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 genannten Gründe gerechtfertigt werden kann.

69      Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

70      Mit dem Erlass dieser Bestimmung wollte der Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet von Beschäftigung und Beruf dem Entstehen eines Spannungsfelds zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung einerseits und der notwendigen Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, der Verhütung von Rechtsverstößen sowie dem Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind, andererseits vorbeugen und vermittelnd eingreifen. Er hat somit beschlossen, dass in bestimmten, in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie aufgeführten Fällen die in dieser Richtlinie aufgestellten Grundsätze für Maßnahmen, die Ungleichbehandlungen wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe enthalten, nicht gelten, vorausgesetzt allerdings, dass diese Maßnahmen zum Erreichen der oben genannten Ziele notwendig sind (Urteil vom 7. November 2019, Cafaro, C‑396/18, EU:C:2019:929, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Da Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 eine Abweichung vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen begründet, ist er eng auszulegen (Urteil vom 7. November 2019, Cafaro, C‑396/18, EU:C:2019:929, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einzelstaatliche Regelung – Art. 5 Nr. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes – eine im einzelstaatlichen Recht vorgesehene Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 darstellt.

73      Als Zweites ist festzustellen, dass Art. 5 Nr. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes zwar a priori ein Ziel zu verfolgen scheint, das dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 dient, genauer gesagt dem Schutz der Vertragsfreiheit, indem er die freie Wahl eines Vertragspartners gewährleistet, sofern sich diese Wahl nicht auf das Geschlecht, die Rasse, die ethnische Herkunft oder die Nationalität stützt.

74      Denn der durch Art. 16 („Unternehmerische Freiheit“) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb und beinhaltet insbesondere die freie Wahl des Geschäftspartners (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Die unternehmerische Freiheit gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen (Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Im vorliegenden Fall genügt, wie die Generalanwältin in Nr. 111 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Feststellung, dass schon der Umstand, dass Art. 5 Nr. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes eine Reihe von Ausnahmen von der freien Wahl eines Vertragspartners vorsieht, zeigt, dass der polnische Gesetzgeber selbst angenommen hat, dass eine Diskriminierung nicht als notwendig betrachtet werden kann, um in einer demokratischen Gesellschaft Vertragsfreiheit zu garantieren. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies je nachdem, ob die betreffende Diskriminierung auf der sexuellen Ausrichtung oder auf einem anderen der in Art. 5 Nr. 3 ausdrücklich genannten Gründe beruht, anders verhielte.

77      Wenn man zuließe, dass die Vertragsfreiheit es erlaubt, den Abschluss eines Vertrags mit einer Person wegen ihrer sexuellen Ausrichtung abzulehnen, liefe dies im Übrigen darauf hinaus, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 seine praktische Wirksamkeit zu nehmen, da diese Bestimmung hinsichtlich des Zugangs zu selbständiger Erwerbstätigkeit jede Diskriminierung wegen eines solchen Grundes gerade verbietet.

78      In Anbetracht dessen ist festzustellen, dass Art. 5 Nr. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht rechtfertigen kann, den durch die Richtlinie 2000/78 gewährten Schutz vor Diskriminierungen auszuschließen, wenn dieser Ausschluss nicht gemäß Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich ist.

79      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer einzelstaatlichen Regelung entgegensteht, die zur Folge hat, dass die auf die sexuelle Ausrichtung einer Person gestützte Weigerung, mit dieser Person einen Vertrag abzuschließen oder zu verlängern, der zum Gegenstand hat, dass sie im Rahmen der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit bestimmte Leistungen erbringt, auf der Grundlage der freien Wahl des Vertragspartners von dem nach dieser Richtlinie zu gewährenden Schutz vor Diskriminierungen ausgeschlossen wird.

 Kosten

80      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

ist dahin auszulegen, dass

er einer einzelstaatlichen Regelung entgegensteht, die zur Folge hat, dass die auf die sexuelle Ausrichtung einer Person gestützte Weigerung, mit dieser Person einen Vertrag abzuschließen oder zu verlängern, der zum Gegenstand hat, dass sie im Rahmen der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit bestimmte Leistungen erbringt, auf der Grundlage der freien Wahl des Vertragspartners von dem nach dieser Richtlinie zu gewährenden Schutz vor Diskriminierungen ausgeschlossen wird.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.