Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat Belarus und Polen schwere Menschenrechtsverstöße gegen Migranten im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern vorgeworfen. "Während Belarus diese Situation ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschen hervorgerufen hat, teilt Polen die Verantwortung für das akute Leiden im Grenzgebiet", teilte Lydia Gall von HRW mit. Belarussische Grenzbeamte könnten überdies Folter gegen Migranten angewandt haben.

Die Organisation sprach nach eigenen Angaben mit 19 Menschen, von denen einige "von polnischen Grenzbeamten zurückgedrängt wurden, teils auch gewaltsam". Dieses Vorgehen verletze das europäische Asylrecht. Die EU müsse sich "solidarisch mit den Opfern an der Grenze zeigen, die leiden und sterben".

In Belarus seien "Gewalt, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und Nötigung" durch belarussische Grenzbeamte allgegenwärtig. Das Vorgehen könnte in einigen Fällen als Folter angesehen werden, was den internationalen rechtlichen Verpflichtungen des Landes zuwiderlaufe. Sowohl Polen als auch Belarus hätten "die Verpflichtung, weitere Tote zu vermeiden, indem sie einen humanitären Zugang zu den im Grenzgebiet gestrandeten Menschen sicherstellen".

Polen meldet erneute Grenzdurchbrüche

Im Grenzgebiet zu Polen sitzen derzeit Tausende Menschen fest. Immer wieder versuchen Migranten, in die EU zu gelangen. Zuletzt versuchten am Dienstagabend nach Angaben des polnischen Grenzschutzes drei größere Gruppen, die Grenzsperren zu überwinden. Ein Soldat sei dabei am Kopf verletzt worden und musste medizinisch behandelt werden, sagte eine Sprecherin der Behörde.

In der Nähe des Ortes Dubicze Cerkiewne versuchte demnach eine Gruppe von mehr als 100 Menschen, auf polnisches Gebiet vorzudringen. "Diese Personen waren sehr aggressiv, sie warfen mit Steinen auf polnische Beamte, warfen einen Holzsteg auf den Stacheldrahtverhau, Migranten schnitten Teile der Barriere durch", sagte die Sprecherin. Kurzfristig sei es der Gruppe gelungen, auf die polnische Seite zu gelangen. Sie seien aber festgenommen und zur Grenze zurückgebracht worden.

Zu zwei weiteren versuchten Grenzdurchbrüchen kam es den Angaben zufolge in der Nähe der Ortschaft Mielnik, wo am Abend und kurz vor Mitternacht jeweils rund 30 Migrantinnen versuchten, die Grenze zu überqueren. Insgesamt registrierten die Grenzschützer 267 Versuche einer illegalen Grenzüberquerung. Da Polen keine Journalisten in das Gebiet lässt, lassen sich die Angaben jedoch nicht unabhängig überprüfen.

Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, unter falschen Versprechungen Migrantinnen und Migranten aus Krisenregionen nach Belarus gelockt zu haben, um sie illegal in die EU zu schleusen. Nach Ansicht der EU-Kommission will Lukaschenko damit Rache für EU-Sanktionen üben. Lukaschenko weist die Vorwürfe zurück. Belarus hat inzwischen begonnen, die Menschen in ihre Heimatländer zurückzubringen.