Repression in Russland :
Ein Verbot mit großer Symbolwirkung

Reinhard Veser
Ein Kommentar von Reinhard Veser
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Der Eingang zum Sitz von Memorial in Moskau
Das bevorstehende Ende von Memorial bedeutet, dass jene Zeit zu Ende geht, in der Putins Russland noch freier als die Sowjetunion war. Und es verrät viel über die Einstellung des Kremls zu seinen Untertanen.

Der Antrag der russischen Staatsanwaltschaft, die Ge­sellschaft Memorial aufzulösen, dürfte zugleich auch schon das Urteil sein. Es wäre ein Wunder, würde das Oberste Gericht anders entscheiden. Das Ende dieser Organisation ist ein Einschnitt für Russland. Memorial ist nicht nur die älteste Menschenrechtsorganisation des Landes, sondern auch die mit der größten Autorität, gegründet in den letzten Jahren der Sowjetunion, um die Repressionen der kommunistischen Diktatur aufzuarbeiten.

Wenn Memorial nun zerschlagen wird, darf sich keine vom Regime unabhängige Organisation noch Hoffnung auf ein langes Überleben machen. Es bedeutet, dass es in Russland bald wieder eine verbindliche Sicht auf die Geschichte gibt, und es lässt befürchten, dass die Zeit zu Ende geht, in der Putins Russland noch freier war als die Sowjetunion. Am Umgang mit Stalins Verbrechen zeigt sich die Einstellung, die der Kreml auch heute gegenüber seinen Untertanen pflegt. Nicht dass damals Millionen Menschen ermordet und gequält wurden, ist das Problem, sondern das Reden darüber. In den freiheitlichen Nischen Russlands gibt es eine weitere Institution, die über ein Memorial vergleichbares Ansehen verfügt und ständig über Missstände berichtet: Die Nowaja Gaseta, deren Chefredakteur gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat. Wie lange wird sie das schützen?