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Deutschland Apartheid-Vorwurf

„Verhalten von Amnesty in Bezug auf Israel ist enttäuschend“

Chefkommentator
Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard beschuldigt Israel der „Apartheid“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Israel der „Apartheid“ beschuldigt. Palästinenser würden als „minderwertige“ Bürger behandelt, so Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard.

Quelle: WELT

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Auch die deutsche Sektion von Amnesty vergleicht Israel mit einem Apartheidregime und macht sich angreifbar. Die Kritik an dem umstrittenen Bericht der Organisation reicht von „Bärendienst“ bis Armutszeugnis“ – Amnesty habe „seiner Glaubwürdigkeit schwer geschadet“.

Amnesty International bleibt stur. Nachdem die Organisation am Montag einen Bericht zur Lage der Menschenrechte in Israel veröffentlicht und Israels Regierung mit einem Apartheidregime verglichen hatte, hat die deutsche Sektion von Amnesty den Vergleich mit dem früheren Apartheidregime Südafrikas sogar noch bekräftigt – und das, obwohl er von einigen westlichen Regierungen, Politikern und namhaften Publizisten wegen der vielen Ungenauigkeiten und tendenziösen Interpretationen kritisiert worden war.

„Amnesty International fordert die israelischen Behörden auf, das System der Apartheid und die damit verbundenen schweren Menschenrechtsverletzungen zu beenden, indem die Behörden die Maßnahmen zur Ausgrenzung, Unterdrückung und Diskriminierung der Palästinenser_innen aufheben“, schreibt die Organisation in einer E-Mail an WELT.

Weder in dieser E-Mail noch in dem großen Bericht über Israel finden sich Korrekturen der zahlreichen methodischen Mängel. Amnesty unterscheidet beispielsweise nicht zwischen dem israelischen Staatsgebiet und dem von Israel besetzten Territorium. Im israelischen Kernland besitzen die dort lebenden Palästinenser aber in der Regel die israelische Staatsbürgerschaft, können wählen und gewählt werden.

Bei einem Anteil der Palästinenser an der Gesamtbevölkerung von 20 Prozent sind 26 Prozent der Studenten an israelischen Hochschulen palästinensischer Herkunft. Mit Salim Joubran wurde 2003 sogar ein arabischer Israeli oberster Richter. Alles undenkbar in einem Apartheidregime.

Der Historiker und Israel-Experte Michael Wolffsohn fügt hinzu: „Gäbe es in Israel Apartheid, wären Araber heute nicht bei Koalitionsbildungen Zünglein an der Waage, an der Regierung und als Richter am Obersten Gericht beteiligt.“ Zu Amnestys Bericht sagt Wolffsohn: „Meinungen sind grundgesetzlich geschützt und damit auch faktenfreier Unsinn.“

Zumindest sonderbar an Amnestys Bericht ist darüber hinaus: Seine Autoren heben das Leid der Vertreibung arabischer Teile der Bevölkerung während Israels Unabhängigkeitskrieg hervor, unterschlagen aber, dass wenige Stunden nach der Unabhängigkeitserklärung des jüdischen Staates am 14. Mai 1948 Israel von regulären Armee-Einheiten einer Allianz aus Ägypten, Syrien, dem Libanon, Jordanien und dem Irak angegriffen wurde.

Gewöhnlicherweise gilt für alle Konflikte: Wer als Gewalttätiger mit Gewalt niedergeschlagen werden musste, hat die Folgen seiner Gewalttat zu übernehmen. Im Fall Israels macht Amnesty nicht nur eine Ausnahme, sondern wischt auch noch eine seit Jahren geführte innere Debatte im jüdischen Staat vom Tisch.

Viele jüdische Intellektuelle in Israel suchen das Gespräch mit ihren arabischen Kollegen und werben öffentlich wirksam dafür, neben der Schoah als jüdische auch die Nakba – die Vertreibung von Teilen der arabischen Bevölkerung – als palästinensische Tragödie anzuerkennen.

Mordechai Kremnitzer von der linksliberalen israelischen Zeitung „Ha’aretz“, die dem Friedensprozess seit Jahrzehnten verpflichtet ist, stellt fest: Im Grunde lehnten die Autoren des Amnesty-Berichts den Grundgedanken eines jüdischen Nationalstaats ab. Israels ehemaliger Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, der ebenfalls seit Jahren immer dann seine Stimme für die Sache der Palästinenser erhebt, wenn es um die Zwei-Staaten-Lösung geht, bläst in dasselbe Horn.

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Stein sagte: „Es ist ein Armutszeugnis für die deutsche Sektion von Amnesty International sich dem letzten Bericht von Amnesty International anzuschließen. Einen feindseligen Bericht, der die Idee von Israel als Nationalstaat der Juden infrage stellt und dazu noch eine Reihe von Behauptungen und Empfehlungen macht, hat keine Unterstützung verdient.“

Der frühere Grünen-Chef und heutige Bundeslandwirtschaftsminister, Cem Özdemir, urteilt ähnlich: „Amnesty International leistet auf so vielen Gebieten wichtige Arbeit, etwa, wenn es um Menschenrechtsverletzungen in der Türkei geht. Doch das Verhalten der Organisation in Bezug auf Israel ist enttäuschend.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass die deutsche Sektion sich den Vorwurf der Apartheid gegenüber Israel zu eigen mache.

„Es ist absolut berechtigt, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten deutlich anzuprangern. Dennoch ist Israel als parlamentarische Demokratie kritikfähig.“ An der jetzigen Regierung sei auch eine Partei israelischer Araber beteiligt. „Solche politischen Entwicklungen wie auch das nachvollziehbare Sicherheitsbedürfnis Israels werden in der Stellungnahme von Amnesty nicht berücksichtigt. Es ist bedauerlich, dass sich diese so angesehene Menschenrechtsorganisation unnötigerweise angreifbar macht.“

Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, fügt hinzu, Amnesty habe seinem wichtigen Einsatz für weltweite Menschenrechte „einen Bärendienst erwiesen und seiner Glaubwürdigkeit schwer geschadet“. „Wer die einzige freiheitliche Demokratie im Nahen Osten als ‚Apartheidstaat‘ bezeichnet, weiß offenkundig nicht, was Apartheid ist.“ Dieser Vorwurf sei grober Unfug und eine Steilvorlage für antisemitische und antiisraelische Ressentiments.

„Schutz der universellen Menschenrechte verraten“

Elio Adler, der Vorsitzende der jüdisch-deutschen „WerteInitiative“, geht noch weiter: „Dieser ‚Bericht‘ von Amnesty verrät den Schutz der universellen Menschenrechte, denn der Kampf gegen Antisemitismus gehört offensichtlich nicht dazu.“ Amnesty betreibe damit selbst Antisemitismus. Adler fordert: „Die Organisation sollte ab sofort einem Moratorium unterliegen: zunächst kein weiteres Geld und keine Zusammenarbeit, bis geklärt werden konnte, wie aus humanitären Idealisten aktivistische Antisemiten werden konnten.“

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