Liebe Leserin, lieber Leser,
ist das ein Pfingstbild? Vielleicht hätten Sie auch eher etwas Farbenfrohes erwartet als Hingucker für den Pfingsten-Hirtenbrief. Zugegeben, ich hab auch danach gesucht, aber die klassischen Pfingstbilder mit Jüngern und Feuerzungen sprechen nach meinem Eindruck nicht für das Pfingstfest 2020.
Natürlich hätten wir allen Grund, begeistert Pfingsten zu feiern. Die frohmachende Botschaft des Pfingstfestes gilt uns ja heute genauso wie in vergangenen Zeiten, aber dennoch liegt keine Unbeschwertheit über dem Pfingstfest 2020.
Die Situation ist ganz ähnlich wie damals in Jerusalem. Eine kleine Gruppe sitzt ängstlich hinter verschlossenen Türen und hofft und betet und erwartet, dass sie die Starre löst, die sich seit der Himmelfahrt Jesu breit macht.
Man weiß um die Wahrheit und Stärke der Botschaft von der Auferstehung Jesu, aber so richtig "anwendbar" scheint sie noch nicht zu sein.
Man würde gerne die eigene Freude und österliche Haltung teilen, aber man zweifelt, ob die Leute das hören wollen.
Man würde gerne auch ganz praktisch was tun, aber die Umstände lassen so vieles nicht zu. Es könnte ja auch falsch sein...
Das ist die Situation der Urgemeinde in Jerusalem. Die Apostelgeschichte berichtet davon, dass sie sich deshalb lieber hinter dicke Türen zurückzieht - und wartet.
Das ist doch - wenn wir ehrlich sind - auch unsere Situation, in die wir seit dem Beginn der Corona-Pandemie hineingeraten sind. Als all unser Tun und Treffen, alles Feiern und Verwalten, das wir bisher gewohnt waren, von heute auf morgen eingestellt wurde. Und jetzt, wo sich der Wettbewerb der Lockerungen entfaltet, merken wir, dass es gar nicht so einfach ist, wieder in die Gänge zu kommen. So innerlich locker sind wir bei Kirchens offensichtlich dann doch nicht. Fehlt uns eine innere Freiheit und Begeisterung, oder vermissen wir eigentlich gar nichts? Was ist denn die Botschaft der leeren Kirchen heute, in denen die Menschen mit Abstand und "vermundschutzt" sitzen?
Zugegeben, dass die Kirchen "leer" sind, ist längst nicht allein die Schuld des Corona-Virus, aber nun wird die "schleichende Leerung" in Verbindung mit den Schutzmaßnahmen auf einmal so schnell sichtbar und spürbar...
Der vielzitierte "Umbruch" ist da.
In diese Fragen und Beobachtungen fällt an diesem Sonntag das Pfingstfest. Immerhin, es kann stattfinden, ganz anders als zuletzt das Osterfest, das ja mitten in der Lockdown-Phase lag. Aber anders als sonst feiern wir nicht bloß den Geburtstag der Kirche, der mit dem biblischen Pfingstereignis in Jerusalem verbunden wird. Wir sollten Pfingsten in diesem Jahr wirklich zum inständigen Gebet um ganz viel Heiligen Geist nutzen, der uns hilft, uns zu erneuern und zu erkennen, wo und wie wir in der Herausforderung dieser Zeit individuell und als Kirche christlich leben können - und mit diesem Leben ein Zeugnis geben von dem, was wir glauben, und was uns persönlich stark macht.
Der Geist Gottes hat damals die verängstigte kleine Gemeinde aus den eigenen 4Wänden heraus geholt. Er hat es fertig gebracht, dass sie ohne Furcht und mit echtem Einsatz ihrer Hoffnung und ihrem Glauben eine Sichtbarkeit gegeben haben. Sie sind auf ihre Weise "kommunikabel" geworden, d.h. man hat verstanden, was sie bewegt, woran sie glauben, was und wer die Lebensquelle für sie ist. Die Apostelgeschichte benutzt dafür das Bild von den vielen Sprachen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit das Wesentlich doch eindeutig verstanden haben.
Ob Pfingsten 2020 zu diesem Zeitpunkt, da alles irgendwie neu anfängt, ein Aufbruch sein kann? Vielleicht noch nicht mit sichtbaren öffentlichkeits-wirksamen Beiträgen, aber dennoch Aufbruch in den Herzen der Getauften, die für Neues offen sind - an der breiten Basis, aber mehr noch auf der Ebene der Hirten.
Ein geistlicher Aufbruch wäre das, den wir miteinander wagen. Im Wissen um unsere Traditionen, im Erkennen dessen, was den Menschen heute nichts mehr sagt, und in der Lust daran, der frohen Botschaft neue und zeitgemäße Ausdrucksformen zu geben.
Es wäre ja nicht der erste Versuch eines solchen Aufbruchs, aber die "Zeichen der Zeit" sprechen dafür, es neu zu versuchen.
Am Sonntag wollen wir besonders darum beten. Beten Sie mit?
Komm, Heiliger Geist,
auch hier in Andernach erwarten wir Dich...
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes und geistreiches Pfingstfest!
Ihr Pastor
Stefan Dumont