Englisches Landhaus Villa Abs ähnelt einem Museum

Der Gartensaal für große Gesellschaften, zum denkmalgeschützten Inventar zählen auch Tisch, Stühle, Teppich und Kronleuchter. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Eingerahmt in eine beeindruckende Waldkulisse, die sich bis in die Randbereiche des Parks erstreckt, liegt sie da, die Abs-Villa, ein denkmalgeschütztes Haus in englischem Landhausstil. Der Architekt, Kurt Dübbers aus Stuttgart, der die in einem drei Fußballfelder großen Park sehr versteckt liegende Abs-Villa in Kronberg 1936 erbaute, entwickelte die Villa damals gestalterisch frei und setzte einen unaufdringlichen Mittelbau nach Südosten oben auf den Hang, wo die schönste Aussicht lag. Links und rechts ergänzen längliche Seitenflügel den ebenfalls länglichen Mittelbau, der sich heute in einem stark restaurierungswürdigen Zustand präsentiert. Daran schließt sich eine Terrasse mit einem halbrunden Stufengarten an, von dem aus man einen weiten Blick über eine sanft abfallende Wiese hat.

Die von der Königsteiner Immobilien-Firma „Real Estate GmbH Immobilien- und Facility-Management“ für 4,7 Millionen Euro ersteigerte Immobilie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich.

1893 bauten die Frankfurter Architekten Ludwig Neher und Aage von Kauffmann in einer rund zwölf Hektar großen Kronberger Parkanlage dem Frankfurter Stadtverordeten und Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer Georg Clemens Philipp Maximilian von Guaita einen repräsentativen Sommersitz. Die Villa wurde auch nach dem Bauherrn benannt, der am 12. Dezember 1903 in der Burgstadt verstarb.

Nach der Teilung des Grundstücks 1936 entstand auf etwas mehr als der Hälfte, etwa 7,5 Hektar, ein Wohnsitz mit Parklandschaft für Fritz Ter Mer, damals Vorstandsmitglied der IG-Farben. Jene Immobilie kaufte einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1953, der Bankmanager und Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Hermann Josef Abs, unter anderem ebenfalls Aufsichtsrat der IG Farben. Mit bis zu 30 Aufsichtsratsmandaten, davon 20 als Vorsitzender, galt er in den 1960er-Jahren als eine Schlüsselfigur der deutschen Wirtschaft und als einflussreichster Bankier Deutschlands. Nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bank-Vorstand wurde er 1967 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt. 1976 beendete er sein Aufsichtsratsmandat, blieb jedoch Ehrenvorsitzender der Deutschen Bank.

Abs bewohnte das Anwesen bis zu seinem Tod im Jahr 1994.

In den letzten Jahren gehörte die Villa dem Geschäftsmann Richard Leitermann, bevor sie in der Zwangsversteigerung der Real Estate GmbH zufiel.

Die noch imposantere Villa Guaita war ab 1940 zur Beherbergung von Ausgebomten genutzt worden, diente als Wohnheim für Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten und anschließend als Schulgebäude, bis sie 1961 abgerissen wurde. Deshalb trägt das inzwischen parzellierte Gelände, das in Richtung Guaitastraße andersweitig bebaut ist, dort nach wie vor den Namen Guaita-Park.

In enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde sowie dem Hessischen Landesamt für Denkmalpflege sowie der unteren Denkmalschutzbehörde des Hochtaunuskreises war die Immobilienfirma bis heute im Park voll umfänglich mit Baumsicherungsmaßnahmen und Pflegemaßnahmen für mehrere 100.000 Euro beschäftigt. Doch neben dem Park, der ähnlich dem Schloss-park, Raritäten aus aller Herren Ländern birgt, darunter Zirbelkiefer, Tulpenbaum, Laubabwerfender Mammutbaum, Gingko und Zuckerahorn als auch mehrere Douglasien, und seinen zu schützenden Bewohnern wie der Mopsfledermaus, ist auch das Landhaus selbst in seiner Art etwas Außergewöhnliches. Wirtschafts- und Politikgrößen aus aller Herren Ländern hat es in seiner Geschichte zu großen Gesellschaften und vermutlich auch zu kleineren konspirativen Gesprächen beherbergt. Erst seit September ist es nach Zwangsräumung auch für die Real Estate zugänglich. Deren Geschäftsführer, Hans-Jürgen Grün, hat nun eine Menge Arbeit zu koordinieren, nachdem von außen schon kaputte Dachziegel, ersetzt worden waren und alle Fallrohre kontrolliert und erneuert worden waren, um weiteren Feuchtigkeitsschäden entgegenzuwirken. Wohl hatten die Vorbesitzer nach ihrer Übernahme um die Jahrtausendwende herum die komplette Elektrik im Haus auf den neuesten Stand bringen lassen als auch die gigantische Heizungsanlage sowie das nebenliegende Schwimmbadhaus, das nicht unter Denkmalschutz steht, aufwendig mit viel Komfort saniert, doch an allen Ecken und Enden ist zu sehen, dass das Landhaus schon länger nicht mehr alle nötigen Pflege-, Wartungs- und Reparaturmaßnahmen erhalten hat.

Die Arbeit, die jetzt, immer in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege vonstatten geht, ist beträchtlich, selbst für einen Geschäftsführer wie Grün, der wohl schon einige größere Anwesen repräsentativ zum möglichen Verkauf hat wieder herstellen lassen. Im Erdgeschoss warten an die 100 Sprossenfenster darauf, auf Leinölbasis gestrichen zu werden. Zuvor muss jedoch zunächst einmal der alte Lack angewärmt und abgetragen werden. Es müssen vom Wetter bereits angegriffene Fensterteile ersetzt werden. Wie eng der Eigentümer sich mit der Denkmalschutzbehörde abzustimmen hat, das wissen alle Besitzer von denkmalgeschützten Altstadthäusern in Kronberg längst und auch Hans-Jürgen Grün hat es schnell gelernt: „Wir dachten, wir machen alles richtig, und wollten die Fenster mit Acryllack neu anstreichen, aber dann wurden wir schnell eines besseren belehrt. Jetzt arbeiten wir auf Leinöl-Basis.“ Selbst die Farbe, in der die Fenster zu streichen sind, ermittelt die Denkmalschutzbehörde. Und auch über die Zusammensetzung der Farbe für die Hausfassade wird sie entscheiden.

Ein bisschen wie das Abtauchen in eine andere Zeit oder in einen Film ist es, durch die weitläufigen Zimmer im Erdgeschoss zu schreiten. Auf Gäste wartet ein großzügiger Garderobenraum. Von dort geht es weiter in einen ausladenden Gartensaal mit schweren Kronleuchtern, der von einem riesigem Tisch und einer Vielzahl Stühle dominiert wird. Der Architekt hat in klaren unauffälligen Formen ein Gebäude geschaffen, das für eine Familie allein sowie für große Gesellschaften wohl keine Wünsche offen lässt. Kronleuchter, Tisch und Stühle, ja sogar der Teppich sollten zunächst vom Hochtaunuskreis gepfändet werden, doch das Hessische Denkmalamt hat sich durchsetzen können: Dieses Inventar gehört nun, genauso wie beispielsweise der Billardtisch im Keller zum denkmalgeschützten Inventar des Landhauses. Der zweite Seitenflügel hat ebenfalls einige Raffinessen zu bieten. Dort verbirgt sich nicht nur Wohnzimmer mit Kamin, auch ein Musiksaal mit kleiner Bühne schließt sich an und zu guter Letzt gibt es noch ein Fenster, das mit eigener Lüftung und Zwischenboden Platz für Fensterbegrünung aller Art bietet. Es gibt eigens zwei hintereinander gesetzte Küchen und eine riesige Empfangshalle im Erdgeschoss, während das zweite Geschoss mit Kinderzimmern, Schlafzimmern, Bädern und holzvertäfeltem Ankleidezimmern vergleichsweise schlicht daherkommt.

Doch wer denkt, er hätte schon alles gesehen, was der zweistöckige Bau verbirgt, der irrt gewaltig. Geht man ein Geschoss nach unten, wähnt man sich plötzlich in einer burgartigen Festung. Das komplette Gebäude wurde „unterkellert“ und, so wie man sich dort auch mitten in die Geschichte gebeamt fühlt, wurde der Teil mit Bar und Billardraum wohl auch schon als Krimikulisse genutzt. Bietet sich irgendwie an, denn gleich nebenan gibt es nicht nur einen großen Weinkeller, sondern auch einen düsteren kleineren Raum mit spitzen Haken, um frisch erlegtes Wild aufzuhängen. Passend dazu fehlt auch die ebenfalls denkmalgeschützte Wildküche nicht. Hans-Jürgen Grün kann es nicht genau sagen, aber in der Zeit der Besetzung der Amerikaner soll sogar Billard im Kellergewölbe gespielt worden sein. Verwunderlich ist das nicht, denn der Keller bietet sich durch den extrem länglichen Grundriss des Landhauses dafür förmlich an.

Eins steht jedenfalls schon fest: Das englische Landhaus ist in seiner Art hier im Taunus sicherlich einzigartig, allerdings in seinen teilweise fast schon museal anmutenden Räumen sicherlich auch gewöhnungsbedürftig und wird bestimmt – für den Fall, dass der Gesellschafter der Real Estate GmbH, Michael Perlick – nicht selbst in die Villa Abs einzieht, einen echten Liebhaber einer solchen Architektur brauchen. Doch das ist für Geschäftsführer Grün heute noch Zukunftsmusik, denn er kann bei all den Renovierungsarbeiten, die noch vor ihnen liegen – schließlich haben die Fenster nicht nur alle Sprossen, sondern auch Fensterläden mit Lamellen, von denen die Farbe abbröckelt – noch gar nicht so genau absehen, wann die Villa wieder fix und fertig hergestellt sein wird. Auch im sogenannten angrenzenden Fahrerhaus, das ebenfalls unter Denkmalschutz steht, gibt es noch einiges zu tun: Hier wurde zu lange nicht geheizt und der Schimmel hat sich ausgebreitet. Während drinnen in der inzwischen gut geheizten Empfangshalle an den Sprossenfenstern gearbeitet wird, wird im Park mit der Nachpflanzung der 60 Bäume bekonnen, die aufgrund von Krankheit oder Sicherungsmaßnahmen gefällt werden mussten. Wer die Königsteiner Straße Richtung Falkensteiner Stock hinaus fährt, kann den Teil des Geländes betrachten, auf dem eine Bebauung nach dem vorliegenden städtischen Bauplan überhaupt denkbar wäre: Dort steht ein Holzhaus im Schwarzwaldstil, „Haus Sandrock“, das als ehemaliges Gärtnerhaus auch zu dem Anwesen gehört. „Das ist jedoch nicht denkmalgeschützt“. Wie auch im Zuge des Stadtentwicklungskonzepts der Stadt Kronberg gerade erläutert wurde, wären hier, in erster Reihe entlang der Königsteiner Straße Baulücken, die, wenn es politischer Wunsch sein sollte, geschlossen werden können. Der viel diskutierte Waldteil, in dem die seltenen Fledermäuse leben und durch die der Winkelbach fließt, will die Real Estate nach Möglichkeit einer Naturschutzorganisation übergeben. „Im Zuge dafür müssten wir in diesem Bereich nicht den aufwändigen Schutz und die Pflege verantworten.“ Ein weiterer Gedanke dabei dürfte natürlich auch sein, einem möglichen zukünftigen Besitzer eine Parkfläche in einer etwas überschaubareren Größe als drei Fußballfelder anbieten zu können.

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