Frieden
Heute feiere ich meinen 45. Geburtstag. Es ist der erste ohne meine Mutter, die vor einigen Monaten verstorben ist. Die Welt um mich ist in einem erschütternden Aufruhr, wie ich ihn bisher noch nicht erlebt habe.
Ich bin traurig, ich habe Angst. Ich fühle mich hilflos und weiß nicht weiter.
Was mir momentan hilft, ist das gemeinsame, freie Musizieren mit anderen Menschen.
In den vergangenen Wochen habe ich auf besondere Weise erlebt, dass die musikalische Improvisation (egal ob bei meinen Kursangeboten, im Kreis vertrauter Musiker*innen oder bei Konzerten) einen sicheren Rahmen bietet, um
* Gefühle von Trauer, Schmerz, Angst und Ohnmacht jenseits von Worten ausdrücken zu können
* mich existenziell gehört zu fühlen
* und andere zu hören
* mich darüber meinen Mitenschen auf einer tiefen Ebene verbunden zu fühlen
* auf diese Weise meiner Sehnsucht nach Frieden auf der ganzen Welt Ausdruck zu verleihen
* letztendlich Hoffnung und Kraft zu schöpfen.
Ich wünsche mir, diese Erfahrungen mit mehr Menschen teilen zu können.
Ich möchte meiner politischen Verantwortung gerecht werden und dazu meine Ressourcen einsetzen.
Was ich kann, ist Menschen jenseits musikalischer Vorbildung über das Tönen, das freie Spielen mit der Stimme und den Rhythmus der tanzenden Körper, über die Freude an der Musik in spontan ko-kreiierter, dialogischer Gemeinschaft zusammenzubringen.
Ich träume davon, wie wir auf öffentlichen Plätzen als Menschen zusammenkommen und jenseits politischer Parolen unserem menschlichen Dasein Ausdruck verleihen:
in dem wir unsere Stimmen erheben und summen, klagen, jammern und zetern, schreien, johlen, lachen, weinen, tönen und singen.
Wir sind alle atmende Geschöpfe und ich glaube fest daran, dass wir tief in unseren Herzen in Frieden leben wollen und können.
Solange es Krieg auf der Welt gibt werde ich jeden Tag meines Lebens um 12 Uhr mittags für eine Minute schweigen. Ich stoppe alle Tätigkeiten, gehe in die Stille und spüre mich. Im Geiste verbinde ich mich mit der Natur und allen Lebewesen auf der Erde und imaginiere eine friedliche Welt unter einem Himmel.
Danach erhebe ich meine Stimme zu einer Musik des Augenblicks (vom leisen Summen bis zum lauten Gesang), um meiner Sehnsucht Ausdruck zu verleihen:
Frieden!
Herzlich,
Matthias Lutz
www.vonohrzuohr.de