Konzert zum Gedenken

an die Reichspogromnacht

am 9. November 1938

Flucht in die Fantasie.

Musik jüdischer geflüchteter Komponist*innen

 9. November 2020 im Nikolaisaal Potsdam

 

19 Uhr

Klanginstallation „MitMachMusik“ in Zusammenarbeit

mit dem KOL-Projekt „Kaleidoskop“


20 Uhr

Konzert

MusikerInnen.

Mimi Sheffer, Sopran;

Else Ensemble:

Niklas Liepe, Stefan Hempel, Violine;

Lena Eckels, Viola;

Daniela Shemer, Valentin Scharff, Violoncello;

Naaman Wagner, Klavier;

Shelly Ezra, Klarinette

 

Ausgrenzung, Flucht, Neuanfang und lebendige Musik– das sind die Themen, denen sich die Musikreihe LIVING MUSIC seit ihrer Gründung 2014 widmete. Sie will die Komponistinnen und Komponisten, die ermordet wurden oder fliehen mussten, weil sie Juden waren, ins Gedächtnis zurückholen und ihnen und ihrer Musik, in der sich die Flucht- und Verfolgungserfahrung widerspiegelt, den ihnen gebührenden Platz in den Konzertsälen einräumen – das gilt umso mehr an einem Datum wie dem 9. November. So werden Mimi Sheffer und das Else Ensemble bei dem Konzert mit dem Titel „Flucht in die Fantasie“, der zugleich das Motto der diesjährigen Musikreihe ist, am 9. November mit Werken von Eyal Bat, Chaya Arbel, Mátyás Seiber, Ursula Mamlok und Robert Kahn auftreten. Das Else Ensemble und seine deutschen und israelischen Musiker werden dabei eine Premiere präsentieren: vertonte Passagen aus dem „Tagebuch der Anne Frank“. Komponiert hat das Stück „Fragmente aus dem Tagebuch der Anne Frank“ Chaya Arbel, eine ebenfalls geflüchtete jüdische Komponistin. „Die Fragmente werden von einem Mädchen während des Stücks gelesen; das Stück ist sehr dramatisch, fast szenisch“, beschreibt Mimi Sheffer Chaya Arbels Werk. „Was mich an Chaya Arbel fasziniert, ist, dass sie erst spät mit dem Komponieren anfangen konnte – als Frau war sie eher Musikpädagogin –, und trotzdem ist ihre Musik so reich, bunt und fantasievoll “, betont Mimi Sheffer.Der Abend beginnt mit Eyal Bat, einem der führenden Komponisten Israels. Er hat Gedichte von Else-Lasker-Schüler vertont, die der israelische Dichter Nathan Zach ins Hebräische übersetzte. Mimi Sheffer singt daraus drei Lieder, begleitet von Violine, Violoncello und Klavier.

 

VORKONZERT – KALEIDOSKOP.

 

Daran anknüpfend, stellt das KOL-Kooperationsprojekt „Kaleidoskop“ unter der Leitung von Babak Shafian in Zusammenarbeit mit „MitMachMusik“, einem Projekt zur Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen sowie einheimischen Kindern aus sozial schwachen Familien durch gemeinsames Musizieren, dem Konzert eine Klanginstallation voran. Dabei spielen die Jugendlichen auf ihren Instrumenten – Geige, Cellound Gitarre – und lesen selbstverfasste Gedichte in verschiedenen Sprachen vor: als Gegenstück zu den Tagebuchfragmenten von Anne Frank.  

 

„Was die Teenager aus Syrien und Afghanistan mit Ursula Mamlok und Chaya Arbel verbindet, ist die Fluchtgeschichte“, erklärt Mimi Sheffer. Die auch eine Erfolgsgeschichte werden könne, wie das Beispiel Ursula Mamlok zeige. „Das ist unser Vorhaben mit LIVING MUSIC 2020: diese Biografien näherzubringen, eigene Erfahrungen und Traumata mit deren Hilfe sowie dem Mittel der Musik zu verarbeiten und Hoffnung zu geben – und nicht zuletzt, die wunderbare Musik dieser vielen Frauen und Männer einem größeren Publikum zu erschließen.“

 

Kaleidoskop-Leiter Babak Shafian ergänzt: „Die Biografie der jüdischen KomponistInnen ist Ausdruck des Willens zum Leben und Frieden.“ 

 

Ausgehend von diesem Leitmotiv werde im Rahmen der Workshops „eine Auseinandersetzung mit eigenen Biografien, eigenen Ausgrenzungserfahrungen und der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Dimension ermöglicht. Dabei soll die Musik als Verständigungs- und Ausdrucksplattform dienen. Durch die Macht der Musik und des Musikmachens erlangen die Jugendlichen ein stärkeres Selbstbewusstsein, um als Subjekt eigener Geschichte neue Gestaltungsräume zu kreieren“, sagt Babak Shafian, der 2011 bereits das Musikprojekt „Sistanagila“ mit jüdischen und iranischen Musikern gründete. 

 

PROGRAMM – BIOGRAFIEN.

 

Mehr noch als alle anderen Konzerte der Musikreihe verdeutlicht dieser Konzertabend eindringlich deren Anliegen. Der Blick auf die Biografien der KomponistInnen verdeutlicht das.

 

Chaya Arbel (1921-2007) wurde 1905 in Nürnberg als Gerda Schloss geboren. Nach ersten Klavierstudien in Nürnberg musste sie 1936 mit ihrer Familie aus Deutschland nach Palästina emigrieren. Dort wirkte sie am Aufbau des Kibbuz HaMa’apil mit und arbeitete 25 Jahre in der Landwirtschaft. Erst spät, in den 1960er Jahren, nahm sie ihre Klavier- und Kompositionsstudien wieder auf. Für ihr Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Stilistisch stand Chaya Arbel in der Tradition der Zweiten Wiener Schule, insbesondere von Alban Berg. In ihren Kompositionen setzte sie freie atonale und serielle Techniken ein. 1992 komponierte sie „Fragmente aus Anne Franks Tagebuch“ für Mezzosopran, Streichquartett und Klavier. 

 

Ursula Mamlok (1923-2016) emigrierte als Jugendliche über Südamerika in die USA und wurde dort eine erfolgreiche Komponistin. Von ihr erklingt Breezes (2014/2015) für Klarinette, Violine, Viola, Violoncello und Klavier.

 

Als Robert Kahn (1865-1951) im Dezember 1938 nach England emigrierte, war er in Deutschland bereits als Komponist bekannt und hatte zahlreiche Werke publiziert. Er unterrichtete als Dozent an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin und begleitete als Kammermusikpartner führende Interpreten seiner Zeit. Mit seinem Quintett c-moll op.54 (1909) für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Klarinette endet der Konzertabend. 

 

VIELFALT – VERPFLICHTUNG.

 

Besonders freut sich Shelly Ezra auf das Werk von Mátyás Seiber (1905-1960), eines ungarisch-britischen Komponisten. „So etwas spielt man nicht alle Tage – seine Musik ist so abwechslungsreich“, sagt die Klarinettistin. Umso mehr freue sie sich über die Möglichkeit, im Rahmen der Musikreihe LIVING MUSIC 2020 Seiber und seine Kompositionen einem breiteren Publikum näherzubringen.

 

Geboren in Budapest, studierte Seiber an der dortigen Musikakademie. 1928 unterrichtete er in Frankfurt am Main die erste Jazzklasse weltweit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialistenwurde die Jazzklasse, geschlossen; Seiber wurde als Jude nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Die Einflüsse des Jazz wie auch der Musik Béla Bartóks und Arnold Schönbergs ist unverkennbar. Sein umfangreiches kompositorisches Schaffen umfasst Musiken für Film und Hörspiel, Orchesterwerke Kammermusik, Klavierwerke, Vokalkompositionen, Bühnenmusiken, ein Ballett, eine Suite für Orchester – und ist doch heute nahezu vergessen. Das will Shelly Ezra ändern. Von ihm erklingt „Divertimento für Klarinette und Streichquartett“. 

 

„Diese Musik zu spielen, wie auch die all der anderen jüdischen KomponistInnen , ist auch eine Verpflichtung. Für uns als prominente Musiker sehe ich es als unsere Aufgabe an, neben Brahms und Mozart eben auch diese Komponisten, deren erfolgversprechende Karrieren zu Lebzeiten unwiederbringlich unterbrochen wurden, und die es wert sind, öfter gespielt zu werden, wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken“, sagt Shelly Ezra.

 

Wie Arbel, Mamlok und Kahn wurde auch Seiber von den Nationalsozialisten in die Emigration gezwungen: 1935 flüchtete er nach Großbritannien – ein Schicksal, das er mit allen jüdischen Musikschaffenden teilten, die das Else Ensemble und Mimi Sheffer an diesem Abend vorstellen. 

Tickets

 

 Aufgrund der aktuellen coronabedingten Einlassbeschränkungen empfehlen wir die 

 Tickets im Vorverkauf zu erwerben. 

 

Nikolaisaal Potsdam

20 € | 15 €

www.nikolaisaal.de

Tel.: 0049-331-28 888 28

 

Follow Us – Jetzt auch auf Instagram!
Follow on Facebook
Follow on Instagram
Follow on YouTube

LIVING MUSIC 2020 ist ein Projekt von KOL - Jüdische Musik beleben und erleben e. V.
und wird vom Land Brandenburg, der Landeshauptstadt Potsdam, der Dwight und Ursula Mamlok Stiftung und dem Landkreis Oder-Spree gefördert.

 

KALEIDOSKOP ist ein Projekt von KOL - Jüdische Musik beleben und erleben e. V.
und wird von Plattform Kulturelle Bildung Brandenburg, Amadeu Antonio Stiftung,
Dwight und Ursula Mamlok Stiftung und dem Landkreis Oder Spree gefördert.

KOL - Jüdische Musik beleben und erleben e.V. juedischemusikreihe@gmail.com
+ 49 (0)30 85409158

Share on social

Share on Facebook

www.kol-juedischemusik.com  
This email was created with Wix.‌ Discover More