Vier Jahre nach seiner Entlassung aus türkischer Haft hat der Journalist Deniz Yücel mit seiner Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilweise recht bekommen. Demnach war seine Untersuchungshaft in der Türkei unangemessen. Auch die damit verbundene Einschränkung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung sei nicht hinreichend gerechtfertigt. Zudem befand die Straßburger Kammer eine vom türkischen Verfassungsgericht zugestandene finanzielle Entschädigung als zu gering.

Die Türkei muss Yücel nun 12.300 Euro Schadensersatz zahlen und 1.000 Euro an Verfahrenskosten erstatten. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Prozessparteien können es innerhalb von drei Monaten anfechten.

Der heute 48 Jahre alte Journalist hatte als Korrespondent für die Welt in der Türkei gearbeitet und war im Februar 2017 wegen seiner Artikel festgenommen worden. Die Vorwürfe gegen ihn bezogen sich unter anderem auf ein Interview mit einem Anführer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Yücel saß ohne Anklage ein Jahr in Untersuchungshaft. Nach seiner Freilassung verließ er sofort die Türkei und kehrte nach Deutschland zurück.

Damit war die juristische Auseinandersetzung um ihn aber noch nicht beendet. Zunächst attestierte ihm das türkische Verfassungsgericht im Mai 2019 die Verletzung seines Rechts auf Freiheit, Sicherheit und freie Meinungsäußerung sowie der Pressefreiheit. Im Juli 2020 dann verurteilte ihn ein Gericht in der Türkei wegen des umstrittenen Vorwurfs der "Terrorpropaganda" zu zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen Haft. Dieses Verfahren befindet sich in Revision.

Yücel selbst erhob Beschwerde beim Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg, sowohl wegen der Rechtmäßigkeit als auch wegen der Dauer des Freiheitsentzugs (Artikel fünf der Europäischen Menschenrechtskonvention). Weiter warf er der Türkei die Verletzung seiner Meinungsfreiheit (Artikel zehn) und eine politisch motivierte Begrenzung der Rechtseinschränkungen (Artikel achtzehn) vor.