Liebe Leserin, lieber Leser!
sofern wir uns nicht bei einem der Ostergottesdienste gesehen haben, wünsche ich Ihnen auch eine Woche nach Beginn der Kar- und Ostertage auf diesem Wege von Herzen gesegnete Ostern. Das ist immer noch aktuell, denn wir Christen feiern das Osterfest sage und schreibe 50 lange Tage! Bis Pfingsten. Also, immer noch Zeit genug, Menschen mit einem Ostergruß zu erfreuen, selbst wenn die beiden Haupttage des Osterfestes vorbei sind.
Hinter uns liegen wunderbare Osterfeiern in unseren Kirchen. Überall haben sich fleißige Hände ins Zeug gelegt und die Kirchen in festliche Oster-Räume verwandelt. Von Kell bis in die Südstadt haben die Gemeinden unserer großen Pfarrei Ostern gefeiert, teilweise mit festlich musikalisch gestalteten Gottesdiensten. Ein großes Dankeschön allen, die sich überall im Gottesdienst engagiert haben, die Messdiener und die Gottesdiensthelfer, die Kirchenmusiker, Chöre und Instrumentalisten. Dank den Küsterinnen und Küstern und allen, die ihnen geholfen haben. Danke dem Übertragungs-Team im Mariendom, das die Atmosphäre der Gottesdienste dieser hohen Tage nicht nur ins Internet, sondern auch wieder landesweit für die angeschlossenen offenen Kanäle eingefangen und live übertragen hat.
Ostern 2022 ist eine Gratwanderung. Da ist die "Weltsituation" einerseits mit so vielen "unaufgeräumten Baustellen" nah und fern, dann aber der "Osterjubel", der sich verhalten ausbreitet und den Menschen dennoch eine Ahnung von der Aussicht schenkt, was "Hoffnung" ist. Ich hatte an den beiden Ostertagen die Gelegenheit, hier vor Ort am Mariendom zu erleben, wie viele Menschen den ganzen Tag über zu einem kurzen Oster-Besuch in die Kirche kamen. Der Vorrat an Osterkerzen hat schon am Sonntagnachmittag nicht mehr gereicht, so viele waren es...
Bei allem spürbaren Vorbehalt in Bezug auf Kirche ist es dennoch berührend, wie viele Menschen an den großen Feiertagen die GottesOrte aufsuchen - hier, oder woanders. Egal, ob es der Mariendom ist, oder das Kapellchen am Geysir, ein Bildstock am Feldweg oder auf dem Friedhof. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir in der Ratlosigkeit dieser Zeit doch nur einen Adressaten für unsere Fragen und die Bitte um Frieden und Hoffnung: Gott. Mit der Auferstehung des gewaltsam getöteten Sohnes setzt er ein so massives Zeichen gegen Ungerechtigkeit, Willkür und Gewalt, das niemanden unberührt läßt, selbst wenn man mit "der Kirche" nichts (mehr) verbindet.
Aus der Fülle der Bilder, die rund um die Osterfeiern in unseren Kirchen entstanden sind, möchte ich Ihnen das Titelbild dieses Hirtenbriefs als meinen persönlichen Favoriten nicht vorenthalten. Es entstand am Karsamstag-Abend in der Kirchenbaustelle in Namedy. MIt einer kleinen Gemeinde haben wir vor der Ruine der abgerissenen Betonkirche eine Auferstehungsandacht gefeiert, ein Osterfeuer entfacht, die Osterbotschaft aus der Bibel gehört und eine große Osterkerze entzündet. Nach der Feier haben wir sie mitten in die Baustelle gestellt, wo dann das Foto entstand. "Baustelle" heißt in diesem Fall: eine klaffende "Wunde" am Gottesort Namedy. Es braucht etwas Mühe und Phantasie, sich vorzustellen, dass diese Wunde sich auch wieder schließen wird. Der Abriß der Betonkirche hat böse Spuren hinterlassen. Das ist zwar (fast) alles so geplant gewesen, aber wenn man davor steht, sieht's schon schlimm aus. Irgendwie genauso, wie die schon erwähnte Weltsituation mit ihren "unaufgeräumten Baustellen". Wie soll das alles wieder "heil" werden? Diese Frage stelle ich mir immer wieder vor Ort angesichts dieses Eindrucks - und jedes mal fällt mir ein Schriftwort aus dem Alten Testament dazu ein. Es steht beim Propheten Hosea (Kapitel 6, Vers 1) und heißt:
"Kommt, wir wollen zum Herrn umkehren! Er hat uns verletzt, aber er wird uns auch wieder heilen; er hat uns geschlagen, aber nun wird er unsere Wunden verbinden!"
Die Osterkerze in der Baustelle ist ein Hoffnungsbild.
Es versinnbildlicht meine Hoffnung, dass es "wieder gut" wird, dass der Herr im Himmel seinen Teil dazu beitragen wird, und dass wir alle miteinander auch willens sind, es gut zu machen - jede(r) so, wie er oder sie kann.
Dass es in dieser Abbruch-Szenerie überhaupt eine große Osterkerze für die Namedyer Kirche gibt, soll schon ein berechtigtes Zeichen der Hoffnung sein, dass wir diese Kerze auch bald wieder im Innern der historischen Kirche anzünden können, um dort miteinander Gottesdienst zu feiern, selbst wenn die Arbeiten außen an der Kirche und am Pfarrheim noch längst nicht fertig sind...
Also, halten wir die österliche Grundstimmung in uns wach. Sie hilft zu ertragen und zu gestalten, was das Leben derzeit für jeden von uns an unterschiedlichen Herausforderungen bereit hält. Das kann eine ganze Menge sein - aber mal ehrlich - mit der österlichen Perspektive auf ein "Mehr" an Leben trotz widrigster Umstände in der Zeit lohnt es sich doch,
glaubt
Ihr Pastor Stefan Dumont