MusikerInnen.
Detlef Detlef Bensmann, Saxophon; Itay Dvori, Klavier; Mimi Sheffer, Sopran
...sowie aus dem Kaleidoskop-Projekt:
Lilly Paddags – Sopransaxophon
Marie Schwebe, Marie Graßmel, Marc Schumann – Altsaxophon
Jacob Noack, Julian Seidenberg – Tenorsaxophon
Sophie Larski, Boliang Liu – Baritonsaxophon
Erwin Schulhoff, Bernhard Heiden, Peter Jona Korn, Wolfgang Jacobi und Selma Meerbaum – es sind Namen, die heute kaum noch jemand kennt. Dabei galt der Komponist Peter Jona Korn seinerzeit in Berlin als „Wunderkind“, der Pianist Erwin Schulhoff wurde schon als Siebenjähriger von Antonin Dvořák empfohlen, Bernhard Heiden floh 1935 vor der Nazi-Verfolgung in die USA, der „Halbjude“ Wolfgang Jacobi überlebte im inneren Exil mit Berufs- und Kompositionsverbot in München, und die Lyrik von Selma Meerbaum gehört neben den Gedichten von Rose Ausländer und Paul Celan zum literarischen Erbe der von den Nationalsozialisten ausgelöschten deutsch-jüdischen Kultur der Bukowina.
Ihre Werke wollen Detlef Bensmann, Itay Dvori und Mimi Sheffer ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung rücken, ebenso wie die Schicksale, die dahinterstehenden. Im Konzertprogramm „Saxophon!“ der Musikreihe LIVING MUSIC 2020 stellen der Saxophonist, der Pianist und die Sopranistin die KomponistInnen und ihre vergessenen Werke vor.
„Zusammengekommen sind Mimi Sheffer und ich, weil wir uns gleichermaßen der Musik von in der NS-Zeit verfemten und verfolgten Komponistinnen und Komponisten widmen, ich mache das seit 40 Jahren – begonnen habe ich damit als Student, und auch als Dozent lassen mich diese Musiker und ihre Werke nicht los“, sagt Detlef Bensmann über seine Zusammenarbeit mit LIVING MUSIC 2020.
Uraufführung.
Eine der Schnittmengen von Sheffer und Bensmann bildet das Werk der deutsch-amerikanischen Komponistin Ursula Mamlok, die als 17-Jährige vor den Nazis aus Berlin über Südamerika in die USA floh. In dem Konzert wird ihr Stück „Rückblick“ für Altsaxophon und Klavier aus dem Jahr 2002 zur Erinnerung an die Reichspogromnacht erklingen, die Mamlok als junges Mädchen in Berlin erlebte. Es ist das einzige Stück, das Mamlok je zum Thema Schoa komponierte. Im Zentrum des Programms wird zudem eine weitere Frau stehen, zumal mit einer Uraufführung: die Chernowitzer Dichterin Selma Meerbaum. Ihr Gedicht „Poem“ hat Detlef Bensmann eigens für das LIVING MUSIC-Konzert für Sopran, Altsaxophon und Klavier vertont. Noch im Angesicht der Schoa schrieb Selma Meerbaum Gedichte wie „Poem“, das mit den Worten beginnt: „Die Bäume sind von weichem Licht übergossen ... Ich möchte leben.“
Jazz-Sonate.
Ein anderer Künstler, der zudem viel für die Musikgeschichte getan hat, war Erwin Schulhoff. Auch sein Werk will Detlef Bensmann einem breiteren Publikum zugänglich machen. Der Musiker habe in den 30er-Jahren eine radikale künstlerische Wende vollzogen – weg von Spätromantik, Jazz-Rhythmen und Modetänzen mit traditionellen Musikformen und einer atonalen Harmonik hin zur Ästhetik des Sozialistischen Realismus. Im Konzertprogramm „Saxofon!“ werde die „Hot-Sonate“, eine Jazz-Sonate in vier Sätzen ohne Überschriften, aber mit Metronomzahlen versehen. „Schulhoff hat schon vor George Gershwin Klassik und Jazz gemixt“, sagt Detlef Bensmann. „Er war damals der führende Komponist in Europa, der Klassik und Jazz in eine Synthese brachte.“Schulhoff komponierte die „Hot-Sonate“ Anfang 1930 für die Radiosendung „Funkstunde-AG“, in deren Reihe er das Werk am 16. April 1930 mit dem amerikanischen Saxophonisten Billy Barton uraufführte. Er starb 1942 in einem Lager in Bayern für Bürger „im Krieg befindlicher Staaten“ an Tuberkulose. Mit ihm habe die „Neue Musik“ eine ihrer experimentierfreudigsten Persönlichkeiten verloren, sagt Bensmann.
Schüler.
Bestandteil des Konzertprogramms sind auch ein Vorspiel und ein Zwischenkonzert von Brandenburger MusikschülerInnen. Im Vorspiel präsentieren Schülerinnen und Schüler der Saxophonklasse Beeskow von Alexander Darashkevich und unterstützt von drei Studierenden der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ unter Detlef Bensmanns Leitung zwei kurze Stücke für vier Saxophone, die Wolfgang Jacobi 1931 in Berlin komponierte, und die Sonate für Altsaxophon und Klavier von Bernhard Heiden, die dieser kurz nach seiner Ankunft in Chicago komponierte. Nach der Pause erklingt zunächst „Passacaglia und Fuge“ für acht Saxophone von Peter Jona Korn. „Als Peter Jona Korn nach seiner Emeritierung nach Berlin zurückkehrte, lernten wir uns kennen, und er arbeitete dieses ursprünglich für acht Hörner in seiner Exil-Heimat USA komponierte Werk für acht Saxophone um“, erzählt Detlef Bensmann.
Kaleidoskop.
Die Zusammenarbeit mit den jungen Beeskower Saxophonistinnen und Saxophonisten im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren und mit dem Jugendprojekt „Kaleidoskop“ erstreckt sich über die Erschließung der Werke Mamloks und ihrer Kollegen hinaus auch auf deren Biografien. Kaleidoskop ist ein Parallelprojekt von Mimi Sheffers Verein KOL – jüdische Musik beleben und erleben unter der Leitung von Babak Shafian.
„Die Biografie der jüdischen KomponistInnen ist der Ausdruck zum ‚Willen zum Leben und Frieden‘“ sagt Kaleidoskop-Leiter Babak Shafian dazu. Ausgehend von diesem Motto werde im Rahmen der Workshops „eine Auseinandersetzung mit eigenen Biografien, eigenen Ausgrenzungserfahrungen und der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Dimension ermöglicht. Dabei soll die Musik als Verständigungs- und Ausdrucksplattform dienen. Durch die Macht der Musik und des Musikmachens erlangen die Jugendlichen ein stärkeres Selbstbewusstsein, um als Subjekt eigener Geschichte neue Gestaltungsräume zu kreieren“, sagt Babak Shafian.
Mimi Sheffer zeigt sich begeistert von dem Mehr-Generationen-Konzertprogramm. „Es ist spannend und aufregend, im selben Konzert so viele Generationen zu erleben: den Konzertsaxophonisten, seine Studenten, die Musikschüler und -schülerinnen. Alle beschäftigen sich intensiv mit der Musik und den Komponisten – und jeder von ihnen bringt seine Musikalität und sein Weltbild mit ins Konzert.“
KONZERTTERMINE 4. Oktober und 5. Dezember.
Saxophon! am 4. Oktober um 15 Uhr im Kreiskulturhaus Erich Weinert, Seelow, Erich-Weinert-Straße 13. Mitwirkende: Detlef Bensmann, Saxofon; Itay Dvori, Klavier; Mimi Sheffer, Sopran; Vor-und Zwischenkonzert mit Brandenburger SchülerInnen und StudentInnen der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“-Saxophon! am 5. Dezember um 19 Uhr in „Burg Beeskow“, Beeskow, Frankfurter Straße 23. Mitwirkende: Detlef Bensmann, Saxofon; Itay Dvori, Klavier; Mimi Sheffer, Sopran; Vor- und Zwischenkonzert mit Brandenburger Saxophon-SchülerInnen und StudentInnen der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“