Liebe Leserin, lieber Leser,
das war's dann...
Von Herzen gönnen wir der Queen den Heimgang im besten Sinne des Wortes nach 94 Lebens-Jahren, von denen sie 70 Jahre auf dem Thron des Vereinigten Königreiches Großbritannien saß. Was für eine Lebensleistung... Und nun dankt sie ab, indem sie final die Augen schließt und sich auf den Weg macht, ihrem Mann zu folgen, der erst im vergangenen Jahr mit 99 Jahren gestorben war. Da geht eine Institution, und die Welt weiß das. Wir alle spüren, dass der Verlust unwiederbringlich ist in einer Zeit, die wir als kurzlebig bezeichnen und in der selbst der Zeitgeist Schwierigkeiten hat, Schritt zu halten und hinterher zu kommen.
Nicht alle, die jetzt wertschätzende Nachrufe schreiben, sind treue Royalisten. Aber sie wissen um die Bedeutung der Queen für die gefühlte Stabilität der Welt und sie werden nicht müde aufzuzählen, wieviele Ministerpräsidenten sie hat kommen und gehen sehen, wieviele Staatschefs sie empfangen und wieviele Päpste sie erlebt und in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt der anglikanischen Kirche getroffen hat.
Für ihr ganzes Leben - sei es kurz oder sei es lang - hat sie damals der Krone und dem Land die Treue versprochen. Und sie hat es eindrucksvoll gehalten. Umso bemerkenswerter in einer Zeit, da manche Gerüchteküchen schon vorausschauend 2 Ruhestandspäpste hinterm Petersdom prophezeien...
70 Jahre war sie einfach immer da. Aber nicht statisch, als würde sich Ihr Königin-sein nicht auch entwickeln. Die vielen Sondersendungen dieser Tage zeigen ja deutlich, dass sich die britische Monarchie weiterentwickelt hat - auch wenn die Gewänder der Beefeater vom Londoner Tower oder die Bärenfellmützen der königlichen Garden das äußerlich nicht vermuten lassen. Sie wirken mindestens genau so historisch und antiquiert, wie barocke Brokatgewänder in der katholischen Liturgie. Aber beides (die Royals und das Katholische) hat etwas von Stabilität und Dauerhaftigkeit. Fels in der Brandung...
Auch die Queen hat erleben müssen, wie sich um sie herum so vieles neutralisiert und säkularisiert hat. Auch "ihre" Kirche, der sie als "Defender of the Faith" vorsteht. Noch nicht mal 2% der anglikanischen Briten gehen sonntags zum Gottesdienst - und das, obwohl anglikanische Priester auch Frauen sein dürfen und i.d.R. verheiratet sind. Trotzdem halten die Briten ihrer Königin die Treue, denn sie war nicht nur per Definition, sondern auch gefühlt spürbar eine "Königin von Gottes Gnaden". König Charles III. wird wohl einfach nicht die Zeit haben, sich über Jahrzehnte dieses Vertrauen der Menschen zu erarbeiten.
Das Wort "Zeitenwende" scheint mir mit dem Tod der Queen angemessen und nicht übertrieben. Eine Galionsfigur der Stabilität einer Gesellschaft hat die Bühne der Welt verlassen. Und wir Christen - egal ob anglikanisch, römisch-katholisch oder wie auch immer reformiert - vertrauen (auch zusammen mit der Queen) dem einzig dauerhaft beständigen Fels in der Brandung: Gott. IHN glauben wir über allen Dingen. Über den religiösen Streitigkeiten und auch über den politischen. Über Krieg und Frieden und auch über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Und wir dürfen sicher sein, dass er mit uns dran leidet, dass die Welt sich nicht in seinem guten Sinne entwickeln will. Das wissen wir spätestens seit er Mensch wurde - Teil dieser Welt - und uns die Augen geöffnet hat, was alles möglich wäre im Reich Gottes. Um es wahr werden zu lassen, bedarf es auch einer Standfestigkeit, die nicht jeder Zeiterscheinung nachläuft, aber dennoch einen wachen Blick für die Wirklichkeit hat.
Wenn am Sonntag als Tagesevangelium das Gleichnis vom klugen Verwalter gelesen wird, dann hab' ich wahrscheinlich einerseits die verstorbene Queen vor Augen, die dem Schöpfer Rechenschaft ablegt über 70 Jahre Dienst als Verwalterin des Königreiches.
Ich hab aber auch uns (die Kirche) vor Augen, die sich selber gerne in der Rolle des Verwalters von Geheimnissen Gottes (1 Kor 4,1) sieht und Mühe hat, diese Rolle in unserer Zeit gewinnend für die Menschen auszufüllen.
Und dann muss ich mir aber auch sagen lassen, dass es nicht damit getan ist, bloß auf die "da oben" zu schimpfen, sondern dass es darauf ankommt, im Kleinen selber mitzumachen und auf meiner Ebene ein treuer Verwalter zu sein. Ob ich das kann? Ich will's jeden Tag neu versuchen, an dem Ort, wo ER mich hingestellt hat. Und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auch. Versuchen wir miteinander der großen und der kleinen Welt in diesen "Durcheinander-Zeiten" etwas Beständiges zu geben, etwas Festes, Verläßliches. Was das sein kann, wissen Sie wahrscheinlich besser als einer, der Ihnen sagt, was es sein könnte...
...meint Ihr Pastor
Stefan Dumont