Liebe Leserin, lieber Leser,
zum Michelsmarkt 2022, der endlich wieder stattfinden kann, grüße ich Sie noch einmal ganz herzlich aus meinem Urlaubsdomizil in Italien, aber in Gedanken längst schon wieder in Andernach - unter anderem eben auch beim Michelsmarkt. Der liegt uns in Andernach besonders am Herzen, und man wird sehen, wie viele Menschen ihn am Wochenende zum Feiern nutzen werden - wenn das Wetter mitspielt.
Der Michelsmarkt ist der letzte der ursprünglich 4 großen Markttage eines Jahres in Andernach. Er geht zurück auf den zweiten Patron des Mariendoms, den Erzengel Michael. Sein Festtag ist im katholischen Festkalender der 29. September eines jeden Jahres, er wird gemeinsam gefeiert mit den andern beiden sogenannten Erz-Engel Rafael und Gabriel. Also, alle von Ihnen, die Rafael, Gabriel oder Michael im Namen tragen (weiblich oder männlich), haben in der kommenden Woche Namenstag. Sie können sich auf unterschiedliche Helden der Heilsgeschichte berufen, die ihre Namenspatrone sind. Allesamt "Engel", also Wesen, die "irgendwo dazwischen" liegen - also zwischen dem, was irdisch ist und dem, was himmlisch ist. Mit Worten nicht zu fassen, mit Bildern oft - aber immer nur unzureichend - dargestellt.
Im Dom findet sich ein Fensterbild des Erzengels Michael, Sie sehen es oben rechts. Er ist als Ritter-Engel dargestellt, mit Rüstung und Schwert, mit dem zu erlegendem Drachen und den notwendigen Flügeln als "Ausweis" für die Engel in der Ikonographie. Er schaut nicht wirklich freundlich, was aber sicher der Art der Darstellung zu jener Zeit geschuldet ist, als Pfarrer Rosch dieses Fenster für den Chorraum des Mariendoms hat anfertigen lassen.
Dem heiligen Michael ist aber auch unsere kleine uralte und wunderschöne Kapelle auf dem Hof des heutigen Schulzentrums in der Breite Strasse geweiht. Als man sie von 800 Jahren baute, war sie die Friedhofskapelle der Schwestern im Kloster St. Thomas - weshalb sie dem Hl. Erzengel Michael geweiht wurde. So wie übrigens die meisten der romanischen Friedhofskapellen jener alten Zeit, denn der hl. Erzengel Michael galt als guter Begleiter der Verstorbenen auf ihrem Weg zu Gott. Ein vertrauenerweckender Ortskundiger sozusagen...
Aus diesem Grund hat diese Kapelle bis heute den Namen des Erzengels Michael beibehalten, des zweiten Andernacher Stadtpatrons und Patrons des Mariendoms.
Engel - ich muss gestehen, ich tu mich nicht leicht mit ihnen, denn sie sind eben so sehr "dazwischen" und wenig greifbar, undefinierbar und alles andere als festgelegt. Vielleicht sind sie Bilder für die Sehnsucht von Menschen nach Transzendenz - und zwar etwas diskreter als der große, schwere Gottesbegriff. Insofern stehen sie für die religiöse Sehnsucht von Menschen überhaupt, ohne dass es gleich theologisch festgeschrieben und bedeutsam wird. Sie schützen und bergen den Menschen vor allem, was uns schwer scheint, weshalb wir sie in der Vergangenheit gerne - so wie den Michael - als Schutzengel gezeichnet haben, der auch mal grimmig dreinschauen muss, wenn er dem Bösen in die Parade fährt. In unserer nun wahrlich "verrückten" Welt des Jahres 2022 hat er da eine Menge Angriffsfläche vor sich...
Schaue ich aber in unsere Michaelskapelle hinein, so wie wir sie vor nun schon fast 4 Jahren nach langer Renovierungsphase wieder eingeweiht haben, dann ist das für mich ein besonderer Ort mit einer Ahnung von Himmel und der Gegenwart von Engeln, die hier allerdings nicht als geflügelte Wesen abgebildet sind, sondern vielmehr sinnlich spürbar und erfahrbar; vor allem dann, wenn die Sonne durch die modernen bunten Fenster hineinscheint - im Spiel von Licht und Farbe, von dezenter Festlichkeit und dem Rund der feiernden Gemeinde. Da tut sich im Kleinen mittwochs und sonntagsabends der Himmel auf.
Ich wünsche Ihnen für die Tage um diesen Sonntag herum auch eine gute Erfahrung von und mit "Engeln", die Ihnen etwas von der Nähe des großen transzendenten Gottes in Ihr normales Leben hineintragen - da, wo Sie es brauchen können, da wo Sie es für sich oder für andere erhoffen wollen.
Auch, wenn ich mich "nicht leicht tue" mit dem überlieferten Engelbild: ich kann nicht glauben, dass es nichts gibt "dazwischen", mit dem der große Gott nicht mir, dem im Verhältnis dazu "Kleinen", sagen und zeigen will, dass er mich liebt.
Vielleicht hilft Ihnen das, dass auch der Theologe manchmal ganz schön tief graben muss, um im überlieferten Glaubens-Gut den Anker zu finden, an den er sich selbst gerne festmacht. Aber, er liegt aus, der Anker, in so manchen Dingen des Glaubens, die uns heute vorkommen, als seien sie aus der Zeit gefallen...
...findet Ihr Pastor Stefan Dumont