Liebe Leserin, lieber Leser,
wo im Rhein gelbe Tonnen (normalerweise) schwimmen, markieren sie Gebiete, von denen man sich fern halten sollte mit dem Schiff. Manchmal lauert darunter eine Sandbank, manchmal aber auch eine andere unsichtbare Gefahr. In diesen Sommerwochen liegen die Gefahrenstellen des Rheins offen zutage. Die heiße Witterung läßt den Fluß mehr und mehr weniger werden. Schwimmende Schiffahrtszeichen liegen auf dem Trockenen. In Neuwied (!) zeigte der Pegel gestern schon einen Negativstand an, also weniger als Nichts (smile). So lesen wir's heute in der Rhein-Zeitung.
Niedrigwasser ist nicht ungewöhnlich bei uns, aber in diesen Ausmaßen und im Zusammenhang mit all den anderen Widrigkeiten unserer Zeit eine echte Herausforderung.
Als ob die Gesamtlage nicht schon schwierig genug wäre: Die Folgen des Ukraine-Kriegs und die Wirtschaftssanktionen stehen mit ihren Auswirkungen im direkten Konflikt mit den Bemühungen, der Klimakrise nachhaltig entgegen zu treten. Und die klopft nicht nur vorsichtig an unsere Türen an. Vielmehr fällt sie mit der Tür ins Haus. Der Klimawandel beschert uns mit dem Niedrigwasser auf den Transportrouten von Rohstoffen und mit der Dürre auf den Feldern der Landwirtschaft, in den Weinbergen und im eigenen Blumenkübel zu Hause einen Sommer, den wir alle nicht so schnell vergessen werden. Von Corona mal ganz zu schweigen...
Um im Bild des trockenen Flußbetts zu bleiben: So wie das Wasser aus dem Fluß verschwindet, und die Fische, wie auch die Schiffe in die immer enger werdende Fahrrinne zwingt, so wird der Bewegungsraum, den wir haben, um Schwierigkeiten ausweichen zu können, immer geringer. Die Frage ist, was zuerst kommt: Laufen wir mit unserem ganzen Dasein auf Grund, oder kollidieren wir miteinander in der Enge, die uns zum Manövrieren nur noch bleibt?
Man kann dieses Bild auf verschiedene Bereiche anwenden und durchspielen. Großpolitisch, kleinpolitisch, in der Kirche, in der Wirtschaft - und manche Menschen erleben das alles leider auch im persönlichen Bereich.
Liegt es am berühmten Sommerloch, dass uns das gerade jetzt so auffällt und beschäftigt? Ich weiß es nicht genau, aber ich finde, unsere Zeit und Welt ist in allen Bereichen seit dem 24. Februar (Kriegsbeginn in der Ukraine) nochmal dünnhäutiger geworden, sensibler, vielleicht auch zerbrechlicher. In der Hinsicht müssen wir gut aufeinander Acht geben, dass wir uns nicht gegenseitig aufreiben, da wo man's nicht wirklich braucht.
Man kann die Schwierigkeiten unserer Zeit nicht schönreden und man kann sie auch nicht wegbeten. Man sollte sie nicht geringschätzen aber auch nicht über alles stellen. Da ist eine "gesunde Mitte" gefragt, die ernst nimmt, abwägt, beurteilt und handelt - und dennoch das Leben nicht zu leben vergißt. Ich glaube, wir Christenmenschen können das. Weil wir Menschen sind, die Christus haben! Der war ja auch kein Schönwetterprophet, sondern hat Finger in Wunden gelegt, die in seiner Zeit teilweise offen, teilweise aber auch ziemlich unter den Teppich gekehrt waren. Er hat sichtbar gemacht, wo Gesellschaft krank ist, weil sie stets um den eigenen Vorteil ringt, und wo sich die politisch und/oder religiös verantwortlichen "Macher" verselbständigen und sich ebenfalls vordergründig auf Machterhalt und Besitzstandswahrung konzentrierten.
All das hat er nicht aus Eigennutz angeprangert, sondern weil das Gebaren jener Zeit mehr Schatten in die Welt gebracht hat als Licht. Das ist heute ganz ähnlich, oder nicht?
• Können wir hinter allem, was geschieht, immer noch einen guten liebenden und wohlwollenden Gott erahnen?
• Können wir hoffen, dass Krisenzeiten zu Ende gehen und letztlich gutes Neues hervorbringen?
• Haben wir denn einen Sinn dafür, das 2000 Jahre alte Zeugnis unseres christlichen Glaubens gleichsam als Gewährleistung anzunehmen - dafür, dass Hoffnung kein billiger Trost ist, sondern berechtigt?
Aus der Hoffnung zu leben, das wäre eigentlich das Gebot der Stunde. Ich bemühe mich darum, es hilft mir, die täglichen Hiobsbotschaften aus der profanen und der kirchlichen Welt zu ertragen. Das gelingt mir auch ganz gut, weil ich in meinem Leben die Gelegenheit habe, mich täglich neu mit der Zusage Gottes für die Welt zu beschäftigen, mit anderen Menschen darüber zu reden, darüber nachzudenken und sie schließlich dann auch im Gottesdienst zu feiern.
Man muss aber kein Priester sein, um diese Gelegenheiten im Alltag zu finden und zu pflegen. Es reicht erstmal der persönliche Wille oder Vorsatz, nicht ausschließlich den Hiobsbotschaften des Tages Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch dem manchmal "Kleingedruckten" - also den Wahrnehmungen, Begegnungen, Stimmungen und Hoffnungszeichen des Alltags nachzuspüren. Sie schaffen es in der Regel nicht in die großen Nachrichten, aber es gibt sie, und sie zeigen sich dem, der sie sehen will. Und wenn mal nichts zu sehen ist, dann sage ich das Gott zwischendurch auch. Das soll der gerne wissen, dass bei mir im Herzen "Niedrigwasser" ist und meine Seele anfängt zu dürsten...
Vielleicht geht's Ihnen manchmal ganz ähnlich? Dann könnten die vorstehenden Gedanken zeigen, dass Sie damit nicht alleine sind.
ChristenMenschen hoffen gemeinsam! Bleiben wir in der Hoffnung.
Herzliche Grüße - und Ihnen allen ein hoffentlich schönes Wochenende!
Ihr Pastor
Stefan Dumont