Liebe Leserin, lieber Leser,
eigentlich hätte dieser Hirtenbrief wiedermal aus dem Heiligen Land kommen können. Wäre Corona nicht, dann wäre in diesen Tagen eine fast 90 Personen starke Gruppe aus Andernach im Heiligen Land unterwegs: Das Andernacher Stadtorchester hatte die Reise geplant und wollte u.a. ein großes Konzert in der Partnerstadt Dimona geben. Darüber hinaus hatten wir Konzerte in Jerusalem, am See Genezareth und in Tel Aviv ins Auge gefasst. Zusammen mit den "Andernacher Offiziellen" und interessierten Mitreisenden aus Orchester und Freundeskreis wäre das eine sehr große Gruppe gewesen, die sich zwischen der Negev-Wüste im Süden und der Jordanquelle auf dem Golan im Norden das Heilige Land vertraut machen wollte...
Das Bild oben spricht für sich. Es zeigt die Türen der Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche, mitten in der Altstadt. Zum zweiten Mal schon in diesem Jahr erlebt das ganze Land den Lockdown, den absoluten Stillstand. Selbst diese Tore sind zu. Das hat es in der Geschichte dieser Kirche nicht oft gegeben. Ein Bild mit Symbolkraft, das Fragen aufwirft...
Der Himmel zu? Gilt der coronabedingte Stillstand auch für Gott?
Gott sei Dank - nein. Es ist ja nicht allein der Ort, zu dem ich hingehe, um Gott nahe zu sein, um Stärkung und Zuspruch zu finden. Auch wenn wir mit Kirchen und anderen Orten eher Gottes Nähe verbinden, braucht ER keine offenen Türen und Heilige Länder, um uns anzusprechen und zu erreichen. Manchmal reicht schon ein gutes Wort, das man hört, ein Kalenderspruch, den man liest oder ein Lied, das man hört.
Gott macht nicht zu! Auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass er sich zur Ruhe gesetzt haben mag... Ich glaube, es ist wichtig, mit IHM zu rechnen, auch in den jetzt wieder schwer werdenden Corona-Zeiten. Aber vielleicht nicht so, wie wir uns das gerade vorstellen oder wünschen. Gott ist ja kein Zauberer, der auf unser Bitten hin das Unheil einfach aus der Welt schafft.
Nein, Gott ist der, der mit uns durch die Zeit des Ungemachs geht. An unserer Seite. Davon bin ich überzeugt und das ist meine Hoffnung.
Was wir derzeit lernen, ist, dass die Welt eben nicht so funktioniert, wie wir Menschen sie uns zurechtgestrickt haben. Wir sind tief betroffen, weil wir im Leben aus der weltlichen Fülle schon wieder so sehr eingeschränkt werden, weil wir auf einmal keine Planungssicherheiten mehr haben, weil wir immer mit dem "no go" rechnen müssen. Das ist schlimm, denn zunehmend trifft es uns existentiell, auf ganz unterschiedliche Art.
Es heißt ja, dass wir mit der Bedrohung durch das Corona-Virus leben lernen müssen - auch über das nächste Jahr hinaus. Dadurch lernen wir dann aber auch neu, solidarisch zu denken und zu handeln.
Wo man nur auf das eigene Wohl bedacht ist, wo eine Gesellschaft eher über den Ellenbogen funktioniert, wird sich das Virus immer wieder festsetzen und vermehren können.
Wo eine Gesellschaft aber aufeinander achtet, wo man merkt, dass es nur miteinander geht, nicht gegeneinander, da verändert sich unsere Welt - ganz im Sinne des Schöpfers.
Vielleicht ist das die Veränderung, die unsere Welt braucht, und die sie mit all ihren Konsequenzen für die ganze Menschheit lebenswerter macht - überall dort, wo Menschen derzeit um ihr Recht auf Leben kämpfen - in Chile und Bolivien, in China und Indien, in Syrien und im Heiligen Land, auf Lesbos und in anderen Flüchtlingslagern, in Europa und auch hier bei uns, bis hin zu den Geschäftsleuten, denen die Pleite droht oder den berufstätigen Eltern, die nicht wissen, wohin mit den Kindern, wenn die KiTa oder Schule wegen Corona geschlossen hat. Eine Herausforderung und Zumutung zugleich.
Letzteres ist dann wieder Gottes Part, finde ich. Der mutet uns eine Menge zu im Drama seiner Schöpfung. Aber "zu-muten" heißt auch "Mut zu machen".
Und das macht ER immer wieder: Mut und Hoffnung. Die Bibel ist voll davon... Und wir Christen mit offenen Ohren, Augen und Herzen haben doch ein Gespür dafür und können das doch eigentlich weitergeben - durch unsere hoffnungsvolle Art, mit der Herausforderung umzugehen
meint und glaubt
Ihr Pastor Stefan Dumont
PS: Wo wir schon bei abgesagten Highlights sind...
Im Rahmen des Domjubiläums hätten wir eigentlich kommende Woche die Regensburger Domspatzen zu Gast gehabt. 56 junge Sänger wären in Gastfamilien untergekommen und hätten uns bei einem Konzert am Samstagabend und im Gottesdienst an Allerheiligen mit ihrem Gesang erfreut.
Eines der schönsten Werke für Chorgesang ist m.E. der 11.Vers aus dem Psalm 91, in der Vertonung von Mendelssohn: "Denn er hat seinen Engeln befohlen, dich zu behüten". Mit dem folgenden Link zu einem YouTube-Video holen Sie sich diesen Zuspruch, gesungen von den Domspatzen, direkt nach Hause... Er hat seinen Engeln befohlen, dich zu behüten. Lassen Sie sich das einfach mal gesagt und gesungen sein... Es tut gut!