Die Solistinnen.
Ofra Yitzhaki gilt als Geheimtipp. Die Pianistin, die sich in den vergangenen Jahren vor allem als Bach-Interpretin einen Namen gemacht hat, spielt in den größten Konzerthallen der Welt, darunter New York, Tel Aviv und Berlin. Dass sie jetzt im Rahmen der Living Music 2019 Musikreihe auftritt, hat mit einer Leidenschaft zu tun, die sie mit deren Gründerin und Organisatorin Mimi Sheffer teilt: Musik geflüchteter jüdischer Komponistinnen und Komponisten einem größeren Publikum nahezubringen. Wie die Berliner Sopranistin hat sich auch Yitzhaki jahrelang mit dieser Thematik beschäftigt. Besonders in Israel komponierte Werke faszinieren sie. „Mimi Sheffer und ich haben schon viele Konzerte gemeinsam gestaltet, unsere erste Zusammenarbeit war eine Aufnahme der frühen Lieder des deutsch-jüdischen Komponisten Paul Ben-Haim für Deutschlandfunk Kultur – das war eine wunderbare Erfahrung“, sagt sie.
POP-JAZZ.
Bei dem Konzert „Else Hommage“ am 3. November wird das Potsdamer Publikum Kompositionen hören, die „man so normalerweise nicht hört“, freut sich die Pianistin. Denn es werden Vertonungen verschiedener Komponisten zu Else Lasker-Schülers Gedicht „Mein blaues Klavier“ erklingen.Josef Tal, der die Dichterin persönlich kannte und auch das „Else Hommage“ für sie schrieb, vertonte „Das blaue Klavier“ im atonalen, sehr ausdruckvollen Stil; Wilhelm Rettich, dessen Lieder erst kürzlich zufällig vom Musikproduzenten Gideon Boss entdeckt wurden, sind im romantischen Stil geschrieben; Eyal Bat, ein zeitgenössischer israelischer Komponist, vertont Lasker-Schülers Lyrik zur hebräischen Übersetzung des deutsch-israelischen Dichters Nathan Zach. Und die Komponistin Yael German bringt Else Lasker-Schüler mit ihren modernen Pop-Jazz-Vertonungen dem israelischen Publikum nahe. „All diese jüdischen Komponisten haben deutsche Wurzeln“, sagt Ofra Yitzhaki. Josef Tal kam in den 30er Jahren aus Berlin nach Israel, er verstand sich selbst als deutscher Komponist. Seine Vertonungen von Else Lasker-Schülers Gedichten seien ein starkes Beispiel dafür, wie sehr die Fluchterfahrung sein Wirken beeinflusst habe.
FRAUEN.
Die Lieder werden die erste Hälfte des Konzerts bestimmen, in der zweiten Hälfte spielt Yitzhaki Klavierstücke verschiedener Komponisten. „Mimi Sheffer hat mich davon überzeugt, dass es in erster Linie israelische Komponistinnen sein werden – wir wollen Frauen eine Stimme geben, die ihnen aufgrund ihrer Flucht- und Verfolgungserfahrung verwehrt wurde“, betont Ofra Yitzhaki. Eine von ihnen ist Irena Svetova – sie emigrierte in den 90er Jahren nach Israel, ist beeinflusst von Prokofjew und Schostakowitsch. Eine andere ist Emma Shifrin – eine strengreligiöse israelische Komponistin aus Jerusalem. Sie hat Ofra Yitzhaki vor einem Jahr bei einem Wettbewerb entdeckt, bei dem die Pianistin die Siegerstücke aufführte. Eines davon hatte Emma Shifrin geschrieben.
VIELFALT.
Der Kreis derer, die sich mit dieser Thematik, „Flucht und Exil“, „Frauen in der Musik“ beschäftigen, sei relativ klein, sagt Ofra Yitzhaki. Umso wichtiger sei diese Konzertreihe, die Mimi Sheffer ins Leben gerufen hat – um ein größeres Publikum von dieser Musik zu begeistern. Die Künstlerische Leiterin der Musikreihe „Living Music 2019“, Mimi Sheffer, freut sich auf die vielfältigen Vertonungen und Kompositionen. „Es ist eine schöne Mischung aus beidem: von Klaviersoli von Ofra Yitzhaki, wunderschön und glasklar interpretiert, und Vertonungen von Gedichten von Else Lasker-Schüler, die mich immer noch sehr beschäftigt. Ihre weichen Texte sind so voller Verlangen nach Liebe, ihrer Beziehung zu Gott und zu ihrem Volk – das kollidiert fast mit ihrer Persönlichkeit und ihrem provokativen Image“, beschreibt Sheffer die Faszination des Else-Hommage-Konzerts.
VIDEO-INSTALLATION.
TextDiese faszinierenden Widersprüche der vielseitigen Dichterin greift eine Video-Installation auf, die „Else Hommage“ vorangeht: Sie zeigt eine weitere Seite von Else Lasker-Schüler – ihre Zeichnungen. „Damit wollen wir dem Publikum die Möglichkeit geben, ein visuelles Gespür für die Arbeiten der Dichterin zu bekommen“, sagt Sheffer. Die Installation sei sehr künstlerisch gestaltet und erleichtere das „Eintauchen und Staunen“ in die Welt der deutsch-jüdischen Dichterin – die das Publikum im anschließenden Konzert betritt und auf neue Art entdecken kann.