Liebe Leserin, lieber Leser,
... und schon ist wieder Allerheiligen. Der untrügliche Anfang der dunklen Jahreszeit. Die Zeit, Lichter anzuzünden. Das machen wir gerne und viel - und wahrscheinlich jetzt im Energiesparwinter 2022 umso mehr. Das Licht einer brennenden Kerze ist wohlig, scheint warm und verbreitet etwas Hoffnungsfrohes. Egal ob im dekorativ geschnitzten Kürbis vor der Haustüre, im Teestövchen zu Hause oder sogar als großes Martinsfeuer - und nicht zuletzt in diesen Tagen vielfach auf unseren Friedhöfen.
Zu Allerheiligen zieht's viele Menschen immer noch auf die Friedhöfe, um dort den Verstorbenen nochmal besonders nahe sein zu können und ihrer zu gedenken: mit einer Kerze, einem Blumenstrauß oder dem obligatorischen Tannengesteck. Vielfach finden kleine Andachten statt. Der Pastor, Diakon oder andere Beauftragte gehen durch die Gräberreihen und sprengen Weihwasser über die letzten Ruhestätten unserer Toten. An den Gräbern stehen die Lebenden, andächtig still und in Gedanken versunken, manchmal auch mit einem stillen Gebet im Herzen.
Ich persönlich freue mich bei dieser Gelegenheit immer, wenn Familien mit ihren Kindern zum Friedhof kommen, zum Grab von Oma und Opa. Der Tod ist ein Teil des Lebens, und wer zum Friedhof kommt, klammert ihn nicht aus. Die Fragen der Kinder können manchmal eine echte Herausforderung sein. Sie wollen beantwortet werden - und das nicht nur mit irgendwelchen Floskeln. Da muss man als Erwachsene(r) auch schonmal echt tief schürfen...
Von seiner Bedeutung her ist Allerheiligen bei uns Christen gar nicht der "Tag der Toten", sondern ein Tag des Lebens. Er führt uns gedanklich über den Friedhof hinaus - ins ewige Leben, das wir in der Gemeinschaft aller Menschen mit Gott erwarten. Das ist, was an Allerheiligen eigentlich im Vordergrund steht. Die Schönheit und Freude des ewigen Lebens. Und der Blick auf alle, die wir schon dort bei Gott gut aufgehoben glauben.
Da sind einerseits die großen Gestalten des Glaubens, die wir "Heilige" nennen, weil sie im irdischen Leben heiligmäßiges getan, gedacht oder bewirkt haben.
Daneben aber eben auch "unsere" Verstorbenen, die wir gekannt und geliebt haben. Sie gehören nach christlicher Überzeugung auch in den Kreis der "Heiligen", weil wir allen Grund haben zu glauben, dass Gott auch ihnen einen Platz in der Ewigkeit schenkt, und sie dadurch "heiligt". Und wer sich mit "dem Heiligen" verbinden läßt, wer seine Einladung zur Gemeinschaft mit ihm nicht ausschlägt, der (oder die) ist ein Teil dessen, was wir gerne mit dem "Himmel" bezeichnen.
Auch das meinen wir, wenn wir den Kindern erklären, dass Oma nach ihrem Sterben "im Himmel" ist. Und das ist einfach etwas anderes, als ein finales Abstellgleis: es ist der "Zustand" der Vollendung, der "Ort" ewiger Zufriedenheit und - das glaube ich ganz persönlich auch - "Leben in größtmöglicher Gelassenheit" gegenüber den Dingen, die unser irdisches Miteinander manchmal so schwierig sein lassen...
Man möchte sich fast drauf freuen - wenn's nicht vorher den Tod gäbe, der - so sagt ein oft zitiertes Wort - "das Tor zum ewigen Leben" ist, und den zu sterben uns allen einmal bevorsteht.
Diese Perspektive vor Augen und mit der Erinnerung an das Sterben und den Tod vieler Menschen, die ich selber kannte, mochte und liebte, bin ich unendlich dankbar, dass ich als Christ glauben kann, irgendwann auch mal im eigenen Sterben und Tod von Gott gehalten zu werden, getragen zu sein und seiner Einladung folgen zu können: "Komm, nimm Teil an der Freude deines Herrn" (Mt 25,23).
Wenn wir uns in diesen Tagen an die Gräber der Verstorbenen unserer Familien stellen, dann mag neben der Trauer über den Verlust der lieben Menschen auch die Dankbarkeit für die begründete Hoffnung mitschwingen, das sie schon angekommen sind, da wo wir mal wirklich zu Hause sein werden.
"Unsere Heimat ist im Himmel" (Phil 3,20).
Das glaubt ganz fest auch
Ihr Pastor
Stefan Dumont,
der sie hiermit ganz herzlich grüßt und Ihnen allen ein gesegnetes Wochenende wünscht.