Liebe Leserin, lieber Leser,
man schleppt schon manchmal eine Menge Kram mit sich rum... So wie der kleine Mann auf dem Bild oben, dessen Koffer eindeutig zu groß ist. Das Bild ist mir dieser Tage vor Augen gekommen, als ich Ausschau gehalten habe nach einer passenden Illustration zum Thema "Synodaler Weg". Der geht nämlich ab heute in eine ganz entscheidende Phase und es wird - für alle, die am Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland interessiert sind - ein wichtiges Wochenende, nicht nur bei den Synodalen in Frankfurt.
Sie erinnern sich? "Der Synodale Weg" ist der Versuch der beiden Hauptakteure - Deutsche Bischofskonferenz und Zentralkomitee der Deutschen Katholiken - miteinander verbindlich ins Gespräch zu kommen, um den Reformstau in den deutschen Kirche anzupacken, aufzulösen und gleichzeitig vorausschauend Ideen und Lösungsmöglichkeiten für gleiche und ähnliche Probleme in der Weltkirche anzubieten.
Auslöser für die Initiative des Synodalen Wegs war die vielzitierte "MHG-Studie", die 2018 das ganze Ausmaß des kirchlichen Mißbrauchsskandals erstmals ungeschminkt benannt und aufgezeigt hat. Die darin aufgezeigten systemischen Ursachen, die dem Mißbrauchsgeschehen in der katholischen Kirche zugrunde liegen, sind die Hauptthemen der synodalen Versammlung von Amtskirche und oberstem Laiengremium in Deutschland. Miteinander versucht man seit 2020, die Themen zu diskutieren und neue Wege des Umgangs innerhalb der Kirche zu finden - um ihr (der Kirche) wieder Vertrauen schenken zu können.
Was Kirche ausmacht und was sie zu geben hat, bedarf des Vertrauens der Menschen.
• Es geht dabei um nicht weniger als die überlieferte Erfahrung, dass diese Welt einen guten und wohlwollenden Gott hat.
• Es geht um die Einsicht, dass dieser Gott freundlich und menschennah ist, dass er über aller menschlichen Kategorie von Zeit, Raum und der Frage nach männlich/weiblich/divers steht. Dass er in der Welt ist, sie liebt und auch mit ihr leidet. Vor allem an dem, was die Welt sich selbst alles antut...
• Es geht um den Zuspruch an die Menschen, dass Gott ihnen Sinn und Auftrag gibt, in der Welt - so wie sie nunmal ist - zu leben und sie weiterzubringen, sie zu entwickeln und dahingehend besser zu machen, dass alle in ihr leben können, mit den Ressourcen, die sie bereit hält.
• Es geht darum, in dieser zerbrechlichen Welt die Hoffnung zu bezeugen, dass Gott sie nicht hängen läßt. Und dass er den Menschen nicht fallen läßt. Keinen einzigen - auch wenn uns das vereinzelt ganz schön schwerfallen mag, das so anzunehmen.
All das müsste im Leben und Dasein der Kirche ganz oben stehen! Da wären wir (also wir alle!) ziemlich beschäftigt, wenn wir das so ernst nähmen. Aber was hindert uns daran, das zu tun?
Wir schleppen eine Menge Ballast mit uns rum. Unnötiges Gezänk, historische Hypotheken, eigennützige Sorge um den Verlust der Deutungshoheit über alles, was den Menschen in seiner Seele ausmacht.
Von all dem haben wir so viel in unserem katholischen Bündel, wie der kleine Mann oben auf dem Bild in seinem Koffer. Ergo: Wir hinken vorwärts, laufen aus der Bahn, weil wir mit dem ganzen Kram nicht mehr geradeaus gehen können. Und weil wir als Kirche Angst haben, irgendwas verlieren zu können, klammern wir uns an unsere überlieferten Gepäckstücke und schleppen sie eben mit durch. Auch um den Preis des totalen Vertrauensverlustes seitens der Menschen, die sich das mittlerweile mehrheitlich von außen anschauen. Auch um den Preis des wirklichen Leidens vieler immer noch treuer und bleibender Menschen an der Kirche. Höchsten Respekt und Dank allen, die nach wie vor nicht gehen, die nicht aufgeben und nicht aufhören zu hoffen, dass wir es schaffen, die Kurve zu kriegen.
Geschichte - so sagt es die Erfahrung - wiederholt sich. Das, was wir an innerkirchlicher Diskussion gerade erleben, war mit anderen Themen auch schon in der ganz frühen Kirche da. Die Apostelgeschichte oder die Briefe, die Paulus an seine Gemeinden geschrieben hat, sind oft deshalb entstanden und überliefert worden, weil da einer versucht hat, Erfahrungen weiter zu erzählen, Meinungen und Argumente zu ordnen und immer wieder auf den eigentlichen Kern des Kirche-Seins hinzuweisen: auf Jesus Christus, der uns doch deshalb aus allen Himmelsrichtungen heraus in seiner Kirche sammelt um uns Gott zu zeigen (vgl. Joh 14,8) und um uns (wie oben beschrieben) zu erinnern, um was es wirklich geht.
Sie ist ein Hoffnungsort, die Kirche. Aber sie nunmal auch aus Menschen und ihrem Tun und Denken. Sie ist alles andere als perfekt und ja "nur" der tägliche Versuch, den Himmel auf Erden abzubilden und dem Reich Gottes dienlich zu sein - damit wir Menschen eine Ahnung davon bekommen, mit welch großartigem Gott wir es zu tun haben.
Ich glaube wirklich, dass alle synodalen Menschen da in Frankfurt an diesem Wochenende genau das im Blick haben. Ich möchte allen die Liebe zur Kirche und zu Gott unterstellen und ich möchte darauf vertrauen, dass Sie's gut machen. Hoffentlich klappt das...
Begleiten Sie doch den Synodalen Weg mit Interesse und einem guten Gedanken oder Gebet, trotz - und gerade wegen des Gegenwindes aus unterschiedlichen Richtungen...
Herzliche Grüße
sendet Ihnen Ihr Pastor
Stefan Dumont