Kanada hat erstmals eine Vertreterin der indigenen Bevölkerung als Richterin an den Obersten Gerichtshof berufen. Michelle O'Bonsawin steuere "unschätzbare Kenntnisse und Beiträge" für das höchste Gericht des Landes bei, sagte Premierminister Justin Trudeau. Ihre Nominierung sei das Ergebnis eines "offenen, unparteiischen Auswahlverfahrens".

O'Bonsawin, Angehörige der Abenaki aus Odanak im Bundesstaat Québec, gehörte seit 2017 dem Obersten Gerichtshof im Bundesstaat Ontario an und ist auf Gesundheitsthemen und Menschenrechte spezialisiert. Ihr neues Amt wird sie noch diesen Monat antreten. Als Angehörige der First Nations sei ihr bewusst geworden, "dass es engagierte Menschen braucht, die denjenigen eine starke Stimme verleihen, die nicht für sich selbst sprechen können", schrieb die Richterin in einem Bewerbungsbogen, den die Regierung veröffentlichte.

Kanada bemüht sich seit einigen Jahren verstärkt um die Aufarbeitung des Umgangs mit Indigenen. Zwischen Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts hatte die Regierung etwa 150.000 indigene Kinder in Internate geschickt, die zum großen Teil von der katholischen Kirche betrieben wurden. Sie wurden von ihren Familien, ihrer Sprache und ihrer Kultur abgeschnitten. Viele von ihnen wurden körperlich und sexuell misshandelt. Papst Franziskus hat die Gewalt gegen Indigene durch Kirchenbedienstete in Kanada bei einem Besuch in dem Land Ende Juli erstmals offen als Völkermord bezeichnet.