Die Türkei muss an den inhaftierten Unternehmer und Kulturförderer Osman Kavala 7.500 Euro zahlen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Demnach habe die Türkei eine Anordnung des EGMR aus dem Jahr 2019 zur sofortigen Freilassung Kavalas ignoriert und damit gegen seine Verpflichtungen gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen.     

Das türkische Außenministerium kritisierte das Urteil. Die Straßburger Richter hätten mit ihrer Entscheidung die Erwartungen der Türkei "enttäuscht und einmal mehr Anlass dazu gegeben, den Ruf des Europäischen Menschenrechtssystems zu hinterfragen", sagte ein Ministeriumssprecher.

Kavala war im April im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil rief international Kritik hervor. Kavala sitzt bereits seit 2017 im Gefängnis. Der EGMR hatte seine Haft schon 2019 als politisch motiviert eingestuft. 

Der Fall Kavala sorgt seit Jahren für Streit zwischen dem Europarat und der Regierung in Ankara. Im Dezember hatte der Europarat, zu der auch der EGMR gehört, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. In seiner nächsten Sitzung am 20. September will sich das Ministerkomitee des Europarats erneut mit dem Fall befassen. Theoretisch ist ein Ausschluss der Türkei aus dem Europarat möglich.

Dass ein Mitgliedstaat des Europarats offen erklärt, ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs nicht umzusetzen, wäre beispiellos und käme einem offenen Bruch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention gleich. Bereits die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat des Europarats ist nahezu einmalig. Ein solcher Prozess wegen Nichtumsetzung eines verbindlichen Urteils des EGMR wurde bislang nur einmal aktiviert: 2017 gegen Aserbaidschan im Fall des damals inhaftierten Politikers Ilgar Mammadov.