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El Salvador Frau wird nach Tod ihres Neugeborenen zu 50 Jahren Haft verurteilt

In El Salvador gelten Schwangere, die abtreiben oder ihr Kind verlieren, als Mörderinnen. Nun hat das Land eine 21-Jährige, deren Baby nach der Geburt starb, zur Höchststrafe verurteilt. Sie soll 50 Jahre ins Gefängnis.
Eine Frau in El Salvador demonstriert gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen (2017)

Eine Frau in El Salvador demonstriert gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen (2017)

Foto: MARVIN RECINOS/ AFP

Im streng religiösen El Salvador ist eine 21 Jahre alte Frau zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie ihr Neugeborenes getötet haben soll. Laut Staatsanwaltschaft brachte Lesly Lisbeth Ramírez am 17. Juni 2020 in ihrem Zuhause ein Mädchen zur Welt. Dieses soll sie erstochen haben.

Während des Gerichtsverfahrens gab die Staatsanwaltschaft an, dass Ramírez die Schwangerschaft vor ihren Verwandten verheimlichte. Ihre Familie brachte die junge Frau nach der Entbindung in ein Krankenhaus. Dort wurde Ramírez festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war sie 19 Jahre alt.

Die Verteidigung wies die Vorwürfe zurück und argumentierte, Ramírez habe nicht gewusst, dass sie schwanger gewesen sei. Sie hätte zur Toilette gemusst und nicht gewusst, dass sie in den Wehen lag. »Sie war zum ersten Mal Mutter geworden und wusste damals nicht, was mit ihr geschah. Sie ging zur Latrine und stieß etwas aus, aber sie wusste nicht, was es war«, sagte Ramírez' Anwältin Aby Cortez zu CNN.  Das Baby soll zu früh zur Welt gekommen und nach der Geburt gestorben sein.

In El Salvador gelten Schwangere, die abtreiben oder ihr Kind verlieren, als Mörderinnen – bereits eine Fehlgeburt kann vom Krankenhaus ins Gefängnis führen.

Feministische Organisationen, die Ramírez begleitet haben, behaupten, sie habe einen Notfall erlitten. Sie weisen darauf hin, dass die Höchststrafe hier das erste Mal in der Geschichte angewandt wird, seit die Abtreibung vollständig kriminalisiert wurde, wie »El País« berichtet. 

»Dies ist die Geschichte einer Kette von Ungerechtigkeiten«, sagt Morena Herrera, die Vorsitzende der Bürgervereinigung für die Entkriminalisierung von Abtreibungen in El Salvador. Ramírez sei das dritte von sieben Geschwistern in einer Familie, die in Armut lebt, kein Trinkwasser und keinen Strom hat und sich mit landwirtschaftlicher Arbeit über Wasser hält. Ramírez konnte nur bis zur siebten Klasse lernen, danach musste sie sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern. »Der Staat hat sich immer aus ihrem Leben und dem ihrer Familie herausgehalten«, heißt es von der Organisation laut »El País«.

Die Entscheidung kommt nur zwei Wochen, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA das Abtreibungsrecht gekippt hat. »Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA werden konservative Positionen wieder stärker vertreten«, sagt Herrera.

El Salvador ist eines der Länder mit den restriktivsten Abtreibungsgesetzen der Welt. Das Land hat seit dem Jahr 1997 ein Gesetz, das den freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft unter allen Umständen verbietet. Und viele der Frauen werden nicht einmal wegen der Abtreibung selbst verurteilt, sondern wegen Mordes, wie im Fall von Ramírez.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, El Salvador sei streng katholisch. Der Anzahl der Katholiken in dem Land ist rückläufig, dafür gewinnen die Evangelikalen mehr Mitglieder. Wir haben den Text an der entsprechenden Stelle geändert.

kha/AFP/Reuters