Liebe Leserin, lieber Leser,
heute noch und morgen... und dann ist das Jahr 2021 vorbei. "Gottlob, nun geht das Jahr zu Ende" - so könnte man durchaus mit den Anfangsworten der passenden Kantate von Johann Sebastian Bach (BWV28) die Stimmung und Situation dieser Tage beschreiben. Da war der Wurm drin - oder vielmehr das Virus mit dem eigentlich recht "festlichen" Namen Corona, den wir benutzen um die komplex schwierige Situation im Ganzen zu benennen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch das Ganze Jahr, mal mehr, mal weniger einschränkend. Jetzt gerade holt sie wieder aus und wird uns wohl die ersten Monate des kommenden Jahres in vielfältiger Weise lähmen.
Ist das die Zeit, um Neues zu beginnen?
Ich will nicht pauschal "Ja" rufen, aber manchmal drängt sich "das Neue" geradezu auf, steht vor der Tür und will angenommen und gestaltet werden. Die bevorstehende Gründung der neuen Pfarrei St. Marien am Neujahrstag ist dafür geradezu ein Paradebeispiel. Sie ist sinnvoll, vernünftig und sicher auch zukunftsorientiert. Aber dennoch schwingt da unterschwellig ein Gefühl mit, dass dieser Kraftakt nur mit beschränkter Begeisterung gemeistert wird. Haben wir nicht genügend andere Baustellen zu bearbeiten? "Wir" als Gemeinden in Andernach, als Teil der Kirche im Bistum Trier? "Wir" als Kirche in Deutschland. Vordergründig ganz bestimmt...
Ich habe mir das in den letzten Wochen auch immer wieder so gedacht. Aber dennoch bringt die gegenwärtige Zeit den Antrieb zu Veränderungen mit sich, die eben nicht nach Corona fragen und auch nicht nach der daran müde gewordenen Gemeindepastoral.
Im Gegenteil: Sie fordert uns heraus - mehr denn je - wirklich zu überlegen, wozu wir als Kirche da sind, was uns ausmacht, und wie wir die Überzeugung, dass, an Gott zu glauben und ihm zu trauen, einen Mehrwert für das Leben darstellt, mit den Menschen in unserer Stadt teilen können. Die gegenwärtige Zeit fordert uns heraus, neue Wege zu suchen, die frohe Botschaft unter die Leute zu bringen und sie auch für uns selber neu zu erschließen.
Wenn wir uns nun als eine Pfarrei in der Stadt Andernach neu aufstellen, dann bündeln wir die Kräfte und Ressourcen, dann denken und verwalten wir nicht mehr kleinteilig, und wir ermöglichen ein "Mehr" an Initiativen und Ideen, die viel leichter Platz unter dem großen Dach der einen Pfarrei haben, als in der gewachsenen Enge bisheriger Strukturen. Es kommt natürlich immer auch auf das MIttun der Menschen an. "Gemeinde" ist kein Entertainment weniger Spezialisten für viele Konsumenten.
Wir hatten in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer das Glück, dass Menschen sich in den Gemeinden engagiert haben, Zeit und Einsatz aufgebracht haben, um für die Allgemeinheit lebendiges Gemeindeleben auf die Beine zu stellen. Sie haben damit auch einen Beitrag geleistet, der christlichen Botschaft und Lebenshaltung Aufmerksamkeit zu verschaffen und andere Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen.
Das wollen wir weiter so tun, auch wenn die Zeiten schwieriger geworden sind, das Angebot vielfältiger und unser "Standing" als Kirche in der Gesellschaft aus den bekannten Gründen ziemlich abgewirtschaftet ist.
Ich glaube aber auch, dass sich die Sehnsucht der Menschen nach dem, was nicht Teil unserer kaufbaren und machbaren Welt ist, groß genug ist, um aufmerksam wahrzunehmen, wenn und wie wir von unserem Glauben sprechen, von dem, was uns innerlich stärkt und ermutigt, in dieser zerbrechlichen Zeit "Hoffnung" zu haben und daraus zu leben. Mit dem, was wir als Gemeinden tun, anbieten und wozu wir einladen, wollen wir dieser Sehnsucht Raum geben.
All dies neu zu bedenken, zu planen und zu initiieren, macht der Neuanfang mit der Pfarrei möglich - ja, er zwingt uns förmlich dazu, denn wir müssen uns tatsächlich neu organisieren und aufstellen.
Die neue Pfarrei St. Marien ist daher nicht nur eine "Zu-Mutung" unseres Bischofs und der Synode in dieser schwierigen Zeit, sie ist auch (und vor allem!) eine Herausforderung und ein Auftrag, das ganze eingefahrene Tun und Lassen mal auf den Prüfstand zu stellen und den Gedanken nachzugehen, die ich hier versucht habe, mal kurz vorzustellen: Wozu sind wir Kirche? Was kennzeichnet uns? Wie teilen wir unseren Glauben und unsere Hoffnung?
Im aktuellen Pfarrbrief habe ich Ihnen eine ausführliche Beschreibung und Meditation zum oben nochmal abgebildeten zeitgemäßen Marienbild angeboten. Vielleicht kann es auch auf dem Hintergrund dieser drei Grundfragen einfach unsere Neugier wecken, und uns animieren, mehr "hinter" den Vorhang zu schauen und sich treffen zu lassen wom LIcht und Wohlwollen Gottes. So wie auf dem Bild die junge Frau Maria.
Sie wird - wie es in Andernach "immer schon" Tradition war - Patronin der neuen Pfarrei. Auch darin liegt m.E. eine Herausforderung und der Auftrag, diese so wertvolle Gestalt des Glaubens für uns heute zu entdecken und einen Zugang zu finden, der ihre Offenheit, ihre Neugier, ihre Überzeugung und ihr uneingeschränktes Gottvertrauen für uns begreifbar macht - und zum Vorbild werden läßt.
"Gottlob, nun geht das Jahr zu Ende".
Auch wenn der Anfang der Bachkantate so verzweifelt klingt, ist sie doch angefüllt mit ganz viel Dank für die Erfahrung, Gott auch in den Situationen der Sorge und des Leids an der Seite gehabt zu haben. Und allein daraus erwächst die berechtigte Hoffnung, dass das kommende Jahr ein gutes Jahr werden kann, weil Gott seine Zusage, an der Seite des Menschen zu sein, niemals zurücknimmt.
Darauf will ich gerne vertrauen, und Ihnen allen ein von IHM gesegnetes neues Jahr 2022 wünschen. Dazu Gesundheit und Zufriedenheit.
Und die Freude am Leben - "trotz allem"!
Ihr Pastor
Stefan Dumont